West-Nil-Virus am Oberrhein? Infizierte Vögel und Pferde als Indikatoren für erhöhtes Risiko
Bis 2018 waren alle gemeldeten Fälle von humanem West-Nil-Fieber reiseassoziiert. Doch inzwischen treten zunehmend autochthone Infektionen auf. 2018 hat sich ein Tierarzt in Bayern bei einem Vogel angesteckt. Von August bis Oktober 2019 gab es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin insgesamt fünf Fälle, die wahrscheinlich erstmals auf eine Übertragung auf den Menschen durch Stechmücken in Deutschland zurückzuführen sind, berichten Experten vom Robert Koch-Institut (RKI). Bei drei dieser Personen war die neuroinvasive Form des West-Nil-Fiebers aufgetreten. Da die Erkrankung nur in einem Prozent der Fälle so schwer verläuft (s. Kasten), ist rein statistisch von mindestens 300 Fällen im vergangenen Jahr auszugehen.
Das Virus überwintert in heimischen Stechmücken
Vor 2018 hatte man in Deutschland mehrfach Antikörper gegen das West-Nil-Virus bei Vögeln nachweisen können, allerdings nie den Erreger selbst. Die Autoren vermuten, dass die Tiere bis dahin nur im Rahmen des Vogelzuges mit dem Virus in Kontakt kamen. Dann entdeckten Labore hierzulande virale RNA in Meisen, Amseln, Habichten, Eulen und anderen Vögeln sowie in Pferden. 2018 waren es insgesamt zwölf Tiere, im darauffolgenden Jahr bereits 83. Zu den betroffenen Regionen im Jahr 2019 zählten auch die Wohnortskreise von allen fünf der o.g. Erkrankten. Infizierte Vögel wurden allerdings nicht nur in Ostdeutschland, sondern z.B. auch in Hamburg entdeckt.
Blut-Hirn-Schranke kein Hindernis
- Symptome wie Fieber und Hautausschlag treten bei etwa jedem fünften Infizierten auf.
- Das Virus ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren: In rund 1 % der Fälle kommt es zu einem neuroinvasiven Verlauf (z. T. mit Meningitis, seltener Enzephalitis), die Letalität liegt dann bei ca. 10 %.
- Seit 2016 sind humane Infektionen mit demWest-Nil-Virus meldepflichtig.
- Zur Bestätigung einer Infektion reicht die Serologie allein nicht aus, da eine starke Kreuzreaktivität der gebildeten Antikörper mit denen gegen andere Flaviviren (z.B. Usutu-Virus, FSME, Gelbfieber) bestehen. Zusätzlich bedarf es einer Gensequenzierung oder einem speziellen ELISA*.
- Reiseassoziierte Fälle treten vor allem nach Aufenthalten in Süd- und Südosteuropa sowie in den USA auf.
* Enzyme-linked Immunosorbent Assay
Quelle: Robert Koch-Institut. Epid Bull 2020; 25: 3-10; DOI: 10.25646/6943