West-Nil-Virus bald an der Ostsee?
Bisher galt das West-Nil-Virus nördlich der Alpen nicht unbedingt als etwas, das man fürchten musste. Im vergangenen Jahr verzeichnete das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) während der Hochsaison der Übertragung (Juni bis November) insgesamt 204 Fälle in den wärmeren europäischen Ländern. Doch dieses Jahr stieg die Zahl bereits erheblich: Bis zum 13. September wurden aus der EU 948 Infektionen gemeldet, aus angrenzenden europäischen Ländern 370 weitere. Alarmierend waren für die Behörde zudem die ungewöhnlich frühen ersten Meldungen, noch vor dem 1. Juli. Dies könnte auf eine erhöhte Viruszirkulation hinweisen und macht einen weiteren Anstieg der Erkrankungen wahrscheinlich, warnt sie.
Jeder Fünfte entwickelt grippeähnliche Symptome
- In der Regel werden die Viren durch Mückenstiche übertragen, aber die Ansteckung kann z.B. auch über Blut, Muttermilch oder Organspenden erfolgen. Etwa 80 % der Infektionen verlaufen klinisch unauffällig, jeder Fünfte entwickelt für 3–6 Tage grippeähnliche Symptome. Die Krankheit heilt aber i.d.R. komplikationslos aus. Weniger als 1 % – meist ältere und immunsupprimierte Patienten – erkrankt schwer mit invasiver neurologischer Beteiligung, was tödlich enden kann. Behandelt wird in allen Fällen symptomatisch.
- Das ECDC empfiehlt bei Rückkehrern aus betroffenen Regionen vor einer geplanten Transfusion oder Organspenden eine 28-tägige Karenzzeit, bzw. den Spender auf das Virus zu testen.
Der Vektor kommt in ganz Europa vor
Auch die Zahl der betroffenen Regionen steigt, u.a. in Ungarn, Griechenland, Kroatien, Norditalien und Frankreich kamen Gebiete hinzu (s. Abb). In Halle an der Saale wurde Ende August eine West-Nil-Virus-Infektion bei einem Bartkauz nachgewiesen. Die Experten rechnen mit einer weiteren Ausbreitung des Erregers, da geeignete Vektoren wie die gemeine Stechmücke in ganz Europa natürlich vorkommen. Die EU-Behörde hält es daher für wichtig, dass sich Ärzte mit der Differenzialdiagnose des West-Nil-Fiebers vertraut machen, um ein flächendeckendes Monitoring zu ermöglichen. Und gerade bei Rückkehrern aus betroffenen Gebieten müsse man wachsam sein.Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control, Rapid Risk Assessment und Status Update; www.ecdc.europa.eu