West-Nil-Fieber dürfte in Deutschland künftig häufiger auftreten
Seit einigen Jahren wird das West-Nil-Virus in Südeuropa von Stechmücken auf den Menschen übertragen, z.B. in Spanien, Frankreich und Italien. Neuerdings kommt es auch hierzulande zu Infektionen. Vögel sind das Hauptreservoir des Erregers, erläuterte Privatdozentin Dr. Corinna Pietsch vom Universitätsklinikum Leipzig. Der Mensch, Säugetiere, Amphibien und Reptilien sind Fehlwirte.
Das West-Nil-Virus wurde in mehr als 150 Mückenspezies nachgewiesen. „Der wichtigste Vektor in Europa ist Culex pipiens, unsere Gemeine Hausstechmücke“, erklärte die Referentin. Sie berichtete von einem Cluster von neun Fällen, die im vergangenen Jahr zwischen August und September in der Region Leipzig aufgetreten waren. „Typischerweise war es nach einer anhaltenden Hitzeperiode im Zeitverzug passend zur Inkubationszeit von zwei bis vierzehn Tagen zu den Erkrankungen gekommen.“
Das Wetter spielt eine große Rolle beim Infektionsgeschehen, erklärte Dr. Pietsch. Denn hohe Temperaturen verkürzen die sogenannte extrinsische Inkubationszeit in den Stechmücken. „Wenn es kühl ist, dauert sie eher 15 Tage und länger, bei Wärme oder Hitze nur fünf Tage oder weniger“, konstatierte die Virologin. Entsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit der Transmission. Es geht in diesem Fall also nicht so sehr um die Ausbreitung neuer Mückenarten, sondern vielmehr um die steigenden Temperaturen.
Akutes Nierenversagen bei einigen Patienten
Wie die Expertin erläuterte, war das Altersspektrum der neun Patienten des Leipziger Clusters breit und reichte von 10 bis 89 Jahren. In sieben Fällen lag eine West Nile Neuroinvasive Disease (WNND) vor. Als typische allgemeine Symptome fanden sich Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Hautausschlag, auch Durchfall und Erbrechen traten auf. Höheres Lebensalter und Immunsuppression hatten Einfluss auf die Schwere der Erkrankung. Auffällig war das akute Nierenversagen einiger Patienten, berichtete die Expertin. Eine relevante Reiseanamnese hatte keiner der Betroffenen.
Labordiagnostisch ließ sich bei fünf Erkrankten virale RNA des West-Nil-Virus Subtyp 2 nachweisen. „Bei anderen Patienten konnten wir zum Teil Serokonversionen sehen, d.h. zunächst fanden sich keine IgG-Antikörper, diese tauchten erst später auf“, erklärte Dr. Pietsch. PCR-Tests aus dem Liquor sind in dieser Situation unzuverlässig und fallen mitunter negativ aus, obwohl sich das Virus im Urin nachweisen lässt.
Bei weniger als einem Prozent der Infektionen kommt es zum klinischen Bild der WNND, erklärte die Expertin. Groben Schätzungen zufolge kommen auf einen Fall einer neuroinvasiven Erkrankung etwa 150 unerkannte Infektionen, d.h. die Dunkelziffer ist extrem hoch. „Angesichts der sieben WNND-Fälle wären das über 1000 Infektionen in der Region Leipzig gewesen“, verdeutlichte die Virologin.
In den kommenden Sommern sei mit steigenden Fallzahlen zu rechnen. Aufklärung der Menschen über eine effektive Expositionsprophylaxe in den Endemiegebieten tue daher not, aber auch die Vorsorge hierzulande an Orten mit hoher Mückendichte, etwa im Bereich von Kleingartenanlagen oder in der Nähe von Gewässern.
Kongressbericht: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Online-Veranstaltung)