Malaria: Anopheles-Mücken bald auch in Europa erwartet
Obwohl jedes Jahr etliche Malariainfektionen nach Europa eingeschleppt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, sich die Erkrankung hierzulande einzufangen, sehr gering. Trotzdem kommen autochthone Ansteckungen vor, auch in Deutschland. Könnte der Kontinent, auf dem die Malaria seit den 1970er-Jahren ausgerottet ist, also wieder zum Endemiegebiet werden?
Zumindest theoretisch wäre das durchaus möglich. Denn zum einen bestätigen Studien, dass in Europa immer noch sechs Anopheles-Mückenarten verbreitet sind, die als Überträger der krankheitsauslösenden Plasmodien Relevanz haben. Zum anderen prognostizieren Experten, dass sich die bereits existierenden Bedingungen für die Übertragung von Malariaerregern in Europa während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch verbessern werden. Das haben Autoren um Lena Fischer vom Institut für Epidemiologie der Universität Zürich ermittelt. Sie hatten die deutsch-, englisch- und französischsprachige Literatur gezielt nach Arbeiten durchsucht, in denen das Auftreten von Anopheles bzw. Malaria mit Temperaturdaten korreliert oder im Hinblick auf den Klimawandel mit steigenden Temperaturen mathematisch modelliert wird.
Übertragungssaison könnte sechs Monate dauern
Auch wenn nur zehn Studien den Anforderungen entsprachen, deuteten diese in der Zusammenschau auf eine weitere Verbreitung der Mücken nach Norden hin sowie auf eine Verlängerung der möglichen Übertragungssaison auf sechs Monate. Insbesondere für die Art Anopheles atroparvus, die schon heute in fast ganz Europa mit Ausnahme Nord- Skandinaviens und der Alpenregion vorkommt, dürfte sich dadurch das Verbreitungsgebiet vergrößern. Für andere Anopheles-Mücken wie A. messeae, A. superpictus, A. sacharovi und A. sergentii wird sich der Verbreitungsschwerpunkt mit steigenden Temperaturen dagegen wohl verlagern – und die Tiere könnten aus ihrem momentanen Verbreitungsgebiet im Mittelmeerraum und in Nordafrika sogar teilweise verschwinden.
Als hierzulande wichtigsten Malariaerreger identifizierten die Forscher vor allem Plasmodium vivax. Der Parasit P. falciparum scheint in Europa im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt zweitrangig zu sein und dies auch zukünftig zu bleiben. Für beide Erreger war in Spanien im Jahr 2005 gegenüber den Jahren 1961 bis 1986 der Zeitraum verlängert, in dem sie übertragen werden können: Die Saison beginnt dort inzwischen zwei Monate früher – im Mai – und endet für P. falciparum im September, für P. vivax erst im Oktober. Anderen Studien zufolge ist auch in weiteren europäischen Ländern mit einer längeren Mückensaison zu rechnen. In Deutschland könnten in 30 bis 60 Jahren Übertragungen über sechs Monate möglich sein, in Großbritannien rechnet man im Jahr 2030 mit drei bis vier Monaten.
Ob sich das tatsächlich in höheren Infektionszahlen niederschlagen wird, bleibt ungewiss. Das Risiko könnte den Modellen zufolge in Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, den südosteuropäischen Staaten sowie in Ungarn, der Ukraine und Russland steigen. In Großbritannien halten die Schweizer Epidemiologen die Wahrscheinlichkeit für eine lokale Ansteckung dagegen für eher gering. Sie verweisen dabei auf eine britische Studie, der zufolge man auf der Insel trotz insgesamt günstiger Bedingungen nur selten mit Stichen durch Anopheles rechnen muss und die Chance der Mücke, auf eine infizierte Person zu stoßen, klein bleibt.
Es kommt auch auf die Gegenmaßnahmen an
Als Größen, die sich negativ auf die Insekten und den Malariaerreger auswirken, bringen Fischer und Kollegen zudem anhaltende Trockenperioden ins Spiel. Letztlich wird aber wohl viel an der Gesundheitsversorgung und den Maßnahmen gegen die Erkrankung hängen. Stimmen die, hat die Malaria nach Ansicht der Forscher trotz allemkaum Chancen in Europa.
Quelle: Fischer L et al. Trav Med Infect Dis 2020; 36: 101815; DOI: 10.1016/ j.tmaid.2020.101815