Klimawandel, Allergien und Beruf „Natürliche“ Risiken beim Arbeiten in Wald und Flur nehmen zu
Geht es um die allergologischen Auswirkungen des Klimawandels auf das Arbeitsleben, muss man zwischen den allgemeinen Folgen für Allergiker am Arbeitsplatz und zunehmenden oder neuen Allergien durch den Beruf unterscheiden. Vor allem Pollenallergiker, die im Freien arbeiten, sind durch die immer früher einsetzende und länger anhaltende Pollensaison belastet. Zudem fliegen immer mehr und allergenere Pollen, die auch proentzündliche Mediatoren produzieren. Durch Ferntransporte überwinden Pollen und Pilzsporen größere Strecken, allergenarme Höhenlagen werden durch die Klimaerwärmung seltener, erklärte Prof. Dr. Monika Raulf vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität Bochum.
Dazu kommt, dass hierzulande mittlerweile Pflanzen gedeihen, die bisher eher im südlichen Europa anzutreffen waren – etwa Olivenbaum, Zypressen, Glaskraut (Parietaria) –, und andere Pflanzen eingeschleppt werden (z.B. Ambrosia). Zu den invasiven Neophyten gehört auch der aus China und Vietnam stammende Götterbaum. Ihm macht Trockenheit nichts aus, weshalb er eigentlich mit Blick auf den Klimawandel ein Zukunftsbaum sein könnte. Allerdings gibt es seit 2022 in der EU ein Handels- und Pflanzverbot für das Gehölz, da es zu einer hohen Sensibilisierungsrate bei Atopikern führt, berichtete Prof. Raulf.
Menschen in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau sind gegenüber den Folgen des Klimawandels besonders exponiert und sie werden mit ganz besonderen Herausforderungen konfrontiert. Eine davon ist der Eichenprozessionsspinner (EPS), der es warm und trocken mag und deshalb vom Klimawandel profitiert. Seine Brennhaare enthalten das Nesselgift Thaumetopoein und führen zu Reizungen von Haut und Atemwegen. Allerdings ist nach ungeschütztem Kontakt auch eine Sensibilisierung möglich, wie der Fall eines Baumpflegers zeigt. Er hatte ein Nest des Eichenprozessionsspinners übersehen, es ohne Vollschutz zersägt und in der Folge zunächst Hautveränderungen und Juckreiz, einen Tag später dann körperliche Schwäche, Kopfschmerzen und Atemnot entwickelt. Im Serum ließ sich eine Sensibilisierung auf EPS-Proteine nachweisen.
Neue Sensibilisierungsquellen im Beruf
- industriell hergestellle Enzyme (Atemwegsallergien)
- Lupine, Quinoa, Flohsamenschalen und Buchweizen für vegane Nahrungsprodukte
- Insekten als nachhaltige Nahrungsquelle
- Cannabis als Rohstoff für Faserprodukte, Nahrungs- und Arzneimittel
Nach Jahren mit langer Trockenheit und Wassermangel häuft sich der Befall von Ahornbäumen mit der Rußrindenkrankheit. Sie wird durch den Pilz Cryptostroma corticale hervorgerufen und wurde in Deutschland erstmals 2005 nachgewiesen. Ursprünglich stammt der Keim aus Nordamerika. Die Konidien des Pilzes haben ein hohes allergenes Potenzial, bei Arbeitern in Sägewerken sind Fälle von Hypersensitivitätspneumonitis beschrieben. Man hat Hinweise, dass es nach Kontakt mit dem Pilz sowohl zu Typ-1-Allergien als auch zu einer exogen allergischen Alveolitis kommen kann. Mittlerweile gibt es klare Empfehlungen, welche Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen sind, sie reichen von partikelfiltrierendem Atemschutz über Schutzanzüge bis hin zu desinfizierbaren Schuhen oder Stiefeln.
Zecken lieben Wärme und eine hohe Luftfeuchte. Damit sie den Winter nicht überleben, braucht es Temperaturen von minus 15 Grad. Da es die aber sogar in den Alpen immer seltener gibt, muss mit aktiven Zecken auch im Winter gerechnet werden. Zur Gefahr werden die Tiere nicht nur durch die Übertragung von bis zu 50 verschiedenen Krankheitserregern, sondern auch als Sensibilisierungsfaktor. Via Zeckenspeichel gelangt der für Mesnchen immunogene Zucker Galaktose-α-1,3-Galaktose (Alpha-Gal) in die Stichwunde und es erfolgt eine Sensibilisierung bzw. die Bildung von Alpha-Gal-sIgE. Da das Fleisch der meisten Säugetiere, Milch und Milchprodukte den Zucker ebenfalls enthalten, kann es nach ihrem Verzehr zur Anaphylaxie kommen.
Kollegen aus Tübingen konnten vor einigen Jahren in einer bevölkerungsbasierten Studie mit 300 Forstwirten, Holzfällern, Jägern und einer gematchten Kontrollgruppe zeigen, dass 35 % spezifisches IgE für Alpha-Gal aufwiesen. Die Forstangestellten hatten ein fast 2,5-fach erhöhtes Risiko, sensibilisiert zu sein. 8,6 % derjenigen mit einem Alpha-Gal-sIgE ≥ 0,35 kU/l hatten bereits eine fleischinduzierte verzögerte Anaphylaxie erlitten.
Invasive Arten bzw. Neozoonosen sind in Deutschland noch nicht das Problem. Der Blick in andere Länder zeigt jedoch, dass dies wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit ist. So hat sich z.B. die ursprünglich aus Südamerika stammende Rote Feuerameise in den letzten 100 Jahren „mit rasender Geschwindigkeit“ in die südlichen Bundesstaten der USA, nach Mexiko, aber auch Australien, China und Taiwan ausgebreitet. Im Winter 2022/23 wurde sie erstmals auf Sizilien gefunden. Schon heute bieten 7 % der Fläche Europas für das Tier geeignete Lebensbedingungen und es dürften immer mehr werden, mutmaßte Prof. Raulf. Das Bedrohliche an der Feuerameise: In den USA gehört sie zu den häufigsten Auslösern von Allergien. Mehr als 80 Todesfälle durch Anaphylaxie sind bereits beschrieben. Die Ameisengiftallergene plus das aggressive Stechverhalten könnten künftig auch in Europa zu einer ernst zu nehmenden Gefahr werden.
Quelle: 64. Kongress der DGP*
*Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin