Hitzeresilienz Gut gerüstet für den Klimawandel
Um Menschen zu schützen, für die sommerliche Hitzewellen eine besondere Gefahr darstellen, sollten Kliniken und Pflegeneinrichtungen heute schon vorbeugende Maßnahmen ergreifen, sagte Prof. Dr. Clemens Becker vom Uniklinikum Heidelberg. Im Blick haben müsse man speziell ältere und multimorbide Menschen, Personen mit niedrigem Sozialstatus, Alleinstehende und diejenigen, die in höheren Stockwerken leben.
Jedes Krankenhaus und jedes Pflegeheim sowie die ambulanten Dienste sollten nach Ansicht von Prof. Becker über zuverlässige Konzepte verfügen, um bei Hitze besonders vulnerablen Personen helfen zu können.
Vermehrte Flüssigkeitszufuhr, Verschattung, passende Kleidung und Raumkühlung müssen gesichert sein, zählte der Referent auf. Die Patienten dürfen während einer Hitzewelle nicht ohne entsprechende Informationen und Vorbereitung entlassen werden. Auch die Angehörigen müssen wissen, wie sie die erforderlichen Schutzmaßnahmen daheim umsetzen können.
Ambulante Versorgung in der Feriensaison sicherstellen
Im ambulanten Bereich sind Strukturen erforderlich, die auch in Urlaubszeiten funktionieren, mahnte Prof. Becker an. Es ist noch nicht lange her, dass in Frankreich während einer sommerlichen Hitzewelle viele tausend Menschen gestorben sind, erinnerte er. Mehr als ein Drittel der Ärzte war damals in Urlaub, die Versorgung brach komplett
zusammen.
Der Hausarzt soll die Patienten zu ihrer persönlichen Gefährdung beraten und sie anleiten, wie sie sich bei extremer Hitze zu verhalten haben, forderte Dr. Robin Maitra, Facharzt für Innere Medizin und Notfallmediziner in Hemmingen. Er verwies auf die Infoblätter vom Umweltbundesamt, die man in der Praxis auslegen könne. Insbesondere ältere und chronisch kranke Menschen sollten eine Art Aktionsplan bekommen und aktiv an Schutzmaßnahmen erinnert werden, wenn eine Hitzewelle im Anrollen ist. Nützlich in diesem Zusammenhang sind die verschiedenen Wetterwarn-Apps.
Bei Temperaturen oberhalb von 30 °C ist eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme von mindestens 1,5 Litern pro Tag elementar. Die Patienten sollen täglich ihren Blutdruck messen. Eine bestehende Medikation muss den hohen Temperaturen angepasst werden, mahnte der Kollege. Antihypertensiva sind ggf. zu reduzieren, Diuretika eventuell ganz wegzulassen.
Prof. Becker wies darauf hin, dass transdermale Arzneimittel bei Hitze besondere Gefahren bergen. So könne etwa die Resorption aus einem Fentanylpflaster bei hoher Umgebungstemperatur um das Vier- bis Achtfache ansteigen, warnte er. Auch subkutanes Insulin werde stärker aufgenommen, wodurch schwere Hypoglykämien drohen, sofern man die Dosierung nicht anpasst. Anticholinergika und Neuroleptika machen mitunter Probleme, da sie die zentrale Thermoregulation hemmen.
Im Übrigen könne der Hausarzt viel dafür tun, das Umweltbewusstsein und die Bereitschaft zum Klimaschutz zu stärken, sagte Dr. Maitra. Der Arzt sei nicht nur Arbeitgeber und Teil des Gesundheitssystems, als sozialer Multiplikator habe er auch eine Vorbildfunktion. Wenn der langjährige Familiendoktor z.B. statt mit dem SUV mit dem Fahrrad in die Praxis komme, bringe dies womöglich die Patienten zum Nachdenken, wie sie ihren Alltag umweltfreundlicher gestalten können, meinte der Referent.
Zu den Aufgaben eines Hausarztes gehört auch die Gesundheitsedukation. Eine gute Gelegenheit dazu bieten die Check-up-Termine. Wenn man dem Patienten etwa mehr Bewegung empfiehlt und ihm Fußmärsche oder das Fahrrad als Verkehrsmittel ans Herz legt, könne man darauf hinweisen, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch der Umwelt einen Dienst erweist. Der Arzt hat die Möglichkeit, den Gedanken, dass Gesundheitsschutz auch Klimaschutz ist, in die Breite zu tragen, so Dr. Maitra.
Fleischverzicht lindert Gicht und bessert die Klimabilanz
Ebenso kann eine Erkrankung wie Gicht ein Aufhänger sein, den Klimaschutz aufs Tapet zu bringen. Verzichtet der Patient fortan auf Fleisch, nehmen die Anfälle ab, und er tut zugleich etwas für seine persönliche Klimabilanz. Auch Therapien lassen sich nach ökologischen Gesichtspunkten ausrichten. Statt eines Dosieraerosols könne man ggf. einen weniger klimaschädlichen Pulverinhalator verschreiben.
Quelle: 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin