Vom Intensivbett auf die Couch?
Kanadische Klinikärzte entlassen jeden Siebten von der interdisziplinären Intensivstation (ITS) direkt nach Hause, wie eine Studie von Dr. Henry T. Stelfox von den Departments of Critical Care Medicine, Medicine and Community Health Sciences der University of Calgary und Kollegen ergab. Und dieses Vorgehen scheint die Betroffenen bei guter Patientenselektion keineswegs zu gefährden.
Über ein Jahr schauten sich die Forscher den Verlauf von 6732 intensivpflichtigen Erwachsenen an. 922 hatten die ITS nach der Behandlung zurück in die eigenen vier Wände verlassen, die übrigen waren zunächst auf Normalstation geschickt worden.
Verlegte Personen häufig älter und schwerer krank
Verglichen mit den verlegten Personen waren die ohne Umwege Entlassenen im Schnitt um zehn Jahre jünger, weniger schwer erkrankt und seltener länger als 48 Stunden maschinell beatmet worden. Ihre Diagnosen lauteten häufiger Überdosis, Substanzmissbrauch, Krampfanfall oder metabolisches Koma.
Für die Analyse suchten die Autoren nach Patientenpaaren (Entlassung vs. Normalstation), bei denen Charakteristika wie Alter, Diagnose, Komorbiditäten etc. übereinstimmten. In 1632 Fällen war ein solches Matching möglich. Demnach unterschieden sich die beiden Kollektive bei den festgelegten Endpunkten nicht wesentlich voneinander: In den 30 Tagen nach Entlassung landete etwa jeder Zehnte wieder stationär in der Klinik, ca. ein Viertel suchte die Notaufnahme auf. In beiden Gruppen starben innerhalb eines Jahres 4 % der Patienten.
Es gibt offensichtlich Intensivpflichtige, die poststationär weniger Überwachung benötigen, stellen Dr. Kyan Safavi vom Department of Anesthesia, Critical Care and Pain Medicine, Massachusetts General Hospital, Boston, und Kollegen in ihrem Kommentar fest. Und die direkte Entlassung könne dabei helfen, sowohl Intensiv- als auch Normalstationen zu entlasten. Wenn dieses Vorgehen Schule machen soll, müssten Klinikärzte allerdings schon frühzeitig die häusliche Nachbetreuung planen und koordinieren. Dazu gehört letztlich auch, diejenigen Disziplinen miteinzubeziehen, die entsprechende – vermutlich intensivere – Kontrollen durchführen.
1. Stelfox HT et al. JAMA Intern Med 2018; online first
2. Safavi K et al. A.a.O.; online first