Kreuzbandriss Vordere Risse zunächst konservativ angehen

Autor: Dr. Judith Lorenz

Angesichts der allerdings insgesamt sehr schwachen Evidenzlage seien nun langfristig angelegte randomisierte kontrollierte Studien dringend notwendig. Angesichts der allerdings insgesamt sehr schwachen Evidenzlage seien nun langfristig angelegte randomisierte kontrollierte Studien dringend notwendig. © Henrie – stock.adobe.com

Ist das vordere Kreuzband lädiert, muss möglichrweise nicht sofort eine Operation sein. Konservative Versorgung bringt zunächst einmal offenbar in vielen Punkten ähnlich gute Erfolge.

Eine der häufigsten und schwersten Knieverletzungen sowohl im Profi- als auch im Breitensport ist der vordere Kreuzbandriss. Angesichts der daraus resultierenden Gelenkinstabilität sowie aus Sorge vor späteren Meniskus- und Arthroseschäden wird den Betroffenen häufig eine zeitnahe operative Kreuzbandrekonstruktion empfohlen.

Möglicherweise lassen sich durch eine primär rehabilitative Behandlung ähnlich gute funktionelle und klinisch Ergebnisse erzielen, berichtet Tobias Saueressig von der Physio Meets Science GmbH in Leimen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften der Hochschule für Gesundheit in Bochum und der HSD Hochschule Döpfer in Köln startete er über drei thematisch relevante randomisierte Studien eine Metaanalyse: Insgesamt 320 Patienten mit vorderer Kreuzbandruptur hatten sich entweder einer primären Kreuzbandoperation unterzogen oder zunächst eine konservative Behandlung mit optionaler späterer Bandrekonstruktion absolviert.

Das Ergebnis überraschte: Im Hinblick auf die meisten Endpunkte unterschieden sich die beiden Therapiestrategien nicht. Beispielsweise erzielten beide Behandlungsansätze langfristig gleichermaßen eine deutliche Verbesserung der subjektiv empfundenen Kniefunktion. Eine frühzeitige Operation schützte zudem nicht vor einer Arthrose. Ganz im Gegenteil, es zeichnete sich diesbezüglich tendenziell sogar eher ein Vorteil durch die primäre Rehabilitation mit optionaler späterer Rekonstruktion ab. Auch langfristige Meniskusschäden traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf, wobei in diesem Punkt die frühzeitig operierten Patienten leicht im Vorteil waren.

Nicht jede vordere Kreuzband­ruptur muss unmittelbar operiert werden, um auf lange Sicht optimale Ergebnisse zu erzielen, meinen die Wissenschaftler. Sofern keine schweren Begleitverletzungen vorliegen, ist vermutlich ein abgestuftes Vorgehen mit primär konservativem Behandlungsversuch ebenso zielführend.

Angesichts der allerdings insgesamt sehr schwachen Evidenzlage seien nun langfristig angelegte randomisierte kontrollierte Studien dringend notwendig, so die Autoren. Um die weitere wissenschaftliche Entwicklung abzubilden, planen die Forscher in den kommenden Jahren regelmäßige Updates der Meta­analysedaten.

Quelle: Saueressig T et al. Br J Sports Med 2022; DOI: 10.1136/bjsports-2021-105359