Wann ein gerissenes Kreuzband rekonstruiert werden muss
Bei mehr als der Hälfte aller Knieverletzungen erwischt es das vordere Kreuzband. 40 % der Risse passieren ohne Kontakt mit einem Gegner, z.B. durch Dreh-/Abscherbewegungen oder Sprünge, schreiben Dr. Volker Musahl vom Department of Orthopaedic Surgery am University of Pittsburgh Medical Center und Dr. Jon Karlsson, Department of Orthopaedics am Sahlgrenska University Hospital in Göteborg.
Als sichere Risikofaktoren kennt man:
- weibliches Geschlecht (3-fach höheres Risiko als bei Männern)
- junges Alter (v.a. 16–18 Jahre)
- frühere, hochintensive und -frequente sportliche Betätigung
Häufig wird die Ruptur von Schäden am Innenband (19–38 %) sowie am lateralen (20–45 %) oder medialen (0–28 %) Meniskus begleitet. Die Ruptur präsentiert sich gewöhnlich als akute Verletzung, manchmal hören die Betroffenen ein Geräusch oder spüren, wie das Band reißt. Oft kommt es praktisch sofort zur Ergussbildung. Mit verschiedenen klinischen Tests lässt sich die Diagnose schon recht zuverlässig stellen, gesichert wird sie mit dem MRT.
Klinische Tests für das vordere Kreuzband
- Vorderer Schubladentest: Bei fixiertem Fuß fasst man den Unterschenkel proximal an und versucht, ihn gegenüber dem Oberschenkel nach vorne zu verschieben. Gelingt diese „Schublade“, besteht der hochgradige Verdacht auf eine Ruptur des VKB.
- Lachman-Test: Die Ferse des Patienten bleibt auf der Liege. Der Untersuchende umgreift den Unterschenkel mit beiden Händen und legt die Zeigefinger in die Kniekehle. Er zieht dann den Unterschenkel nach vorne. Lässt er sich verschieben, dürfte das Kreuzband lädiert sein.
- Pivot-shift-Test: In Rückenlage des Patienten beugt man schnell sein gestrecktes Kniegelenk unter Valgusdruck, axialem Druck und leichter Innenrotation. Der Test ist positiv, wenn in 20–30° Flexion dabei die Tibia subluxiert. Weiteres Beugen führt dann zur spontanen Reposition.
Kaum Unterschiede nach früher oder später OP
Eine Woche nach dem Eingriff mit der Reha beginnen
Die Autoren raten zu folgendem Vorgehen: Freizeitsportler können mit konservativer Therapie starten. Zeigt die Kontrolle nach drei Monaten eine hohe Instabilität, folgt die Operation spätestens fünf Monate nach dem Unfall. Bei Hochleistungssportlern dagegen sollte die Rekonstruktion so rasch wie möglich erfolgen. Denn in einer Studie mit 50 Athleten schlackerten die Knie der Nichtoperierten doch gewaltig. Zur Wiederherstellung eignen sich in erster Linie autologe Materialien, bevorzugt die Sehnen des M. semitendinosus und gracilis oder die Patellarsehne. Auch die des M. quadriceps kommt infrage. Die Doppelbündeltechnik führt dabei zu weniger Rezidiven als ein Einzelbündel. Begleitende Meniskusläsionen können direkt mit versorgt werden, im Falle konkomitierender Bandverletzungen richtet sich das Vorgehen nach dem Ausmaß des Traumas und dem Grad der Instabilität. Die Rehamaßnahmen sollten eine Woche nach der OP starten.Jeder Zweite wird wieder so belastbar wie vor dem Unfall
Vollständig zum Sport zurückkehren sollten die Patienten erst nach frühestens neun Monaten und wenn erste Belastungstests erfolgreich verliefen. Im Allgemeinen erreichen nur etwa 40–55 % der Betroffenen das gleiche Level wie vor dem Unfall. Europäische Profikicker schaffen zu 65 % wieder ihr Ausgangsniveau, was die Autoren auf die hohe Motivation der Sportler und die exzellenten Rehabilitationsmöglichkeiten zurückführen.Quelle: Musahl V, Karlsson J. N Engl J Med 2019; 380: 2341-2348