VerfliXtes Knie: Auf falsche Beinbelastung beim Sport achten, heißt Verletzungen vorbeugen

Autor: Dr. Sascha Bock

Das X-Bein entsteht in der Hüfte, nicht im Knie! Das X-Bein entsteht in der Hüfte, nicht im Knie! © fotolia/MichaelJBerlin

Ob Warmlaufen oder Dehnen, so mancher Sportler zweifelt am Sinn des Aufwärmens – und zieht sich postwendend einen Kreuzbandriss zu. Mit der richtigen Vorbereitung lassen sich Schäden durchaus verhindern. Die Athleten müssen nur üben, eine X-Beinstellung zu vermeiden.

Verletzungsprävention kommt hierzulande zu kurz, beklagt das Komitee Ligamentverletzungen der Deutschen Kniegesellschaft (DKG) um Professor Dr. Wolf Petersen, Berlin. Diverse sportmedizinische Studien würden belegen, dass Aufwärmprogramme vor Gelenkschäden schützen. Zudem verbessern die Übungen Kondition und Technik. Die DKG hat deshalb ein Präventionspaket mit speziellen Tipps zusammengestellt.

Bereits der Name „Stop X“ verdeutlicht, worum es den Experten geht: Risikoreiche Bewegungsmuster vermeiden. Denn eine X-Beinstellung, eine geringe Hüftbeugung sowie ein Körperschwerpunkt, der beim Landen eines Sprunges hinter dem Knie liegt, leisten einer Gelenkverletzung Vorschub. Passend dazu nennen die Kollegen protektive Grundregeln:

  • Kniegelenke nicht nach innen knicken
  • Knie und Hüfte 90° beugen
  • Hüfte, Knie und Fußgelenk in einer Linie
  • Rückenlage vermeiden

Zu den Sportarten mit potenziellem Valgusstress zählen Ballsport (Richtungswechsel), Alpinski (Kontrollverlust des Innenskis) und Judo (Wurf über das am Boden stehend Bein). Die genannten Regeln gelten grundsätzlich aber auch für andere Disziplinen. Knieschäden enstehen meist ohne Fremdverschulden, wenn sich Ober- und Unterschenkel gegeneinander verdrehen.

Für einen Riss des Kreuzbands ist die Muskulatur jedoch mitverantwortlich. Bei einem Körperschwerpunkt hinter dem Gelenk spannt sich der Quadrizeps stark an. Die ischiokrurale Muskulatur als Gegenspieler schützt das gering gebeugte Knie nur schlecht, sodass das vordere Kreuzband durch die Kraft des Streckers rupturieren kann.

Die Ursache für die risikobehaftete X-Beinposition selbst findet sich meist nicht in schiefen Knochen, sondern vielmehr in der Hüfte. Eine schwache Hüft- und Rumpfmuskulatur ermöglicht die funktionelle Fehlstellung und trägt wesentlich zu Verletzungen bei. Wer diese Mechanismen kennt, versteht den Sinn einer Korrektur des Bewegungsmusters. Ein Sportler muss lernen, seinen Bandapparat zu schützen, z.B. indem er mit kleinen Schritten abstoppt anstatt mit dem gestreckten Knie.

Daneben gilt es, über allgemeine Gefahren aufzuklären. Unter anderem begünstigen Überlastung, schlechtes Wetter (Outdoor-Sport) und unzureichende Rehabilitation einen Gelenkschaden und mahnen zur Vorsicht. Außerdem reißt bei jedem Fünften nach einer Kreuzbandläsion irgendwann das Band der Gegenseite. Um das Verletzungsrisiko eines Athleten einzuschätzen, eignen sich Sprungtest und einbeinige Kniebeugen (s. Abb. rechts). Videoaufnahmen mit dem Smartphone erleichtern die Beurteilung. Bei verdächtigen Befunden kann eine professionelle Bewegungsanalyse sinnvoll sein.

Zwei- bis dreimal pro Woche ins Aufwärmen integrieren

Das konkrete Trainingskonzept der DKG umfasst 21 Übungen (s. Tabelle), die aus bewährten Präventionsprogrammen stammen. Nur eine korrekte Ausführung beugt Fehlbelastungen vor. Es empfiehlt sich deshalb, mit leichten Übungen zu beginnen und den Schwierigkeitsgrad mit der Zeit zu steigern. Der Schwerpunkt kann je nach Sportart individuell gewählt werden.

21 Übungen in 20 bis 30 Minuten – das Trainingskonzept der DKG zur Verletzungsprävention
KategorieÜbungBeachten
Laufen

1. Geradeauslauf

2. Laufen mit Hüftdrehung nach außen

3. Laufen mit Richtungswechsel

4. Laufen mit Hoch-Weit-Sprüngen

mit Knie nicht nach innen knicken, Hüfte/Knie/Fuß auf einer Linie, Oberkörper gerade
Balance

5. Einbeinstand mit Ball

6. einbeinige Übung auf Wackelbrett

7. einbeinige Übung auf Wackelbrett mit Ballwürfen

8. einbeinige Übung auf einem Balancekissen mit gegenseitigem Zuwerfen eines Balles

9. einbeinige Übung, bei der sich die Trainingspartner aus dem Gleichgewicht bringen

Hüfte nicht abknicken, Knie darf nicht nach innen einbrechen
Springen (Plyometrie)

10. Sprung auf Weite

11. Sprung auf Höhe

Hüfte nicht abknicken, Knie nach außen, Körper beim Sprung strecken, Landung weich auf beiden Vorfüßen
Kraft

12. Kniebeuger z.B. am „Beincurler“ kräftigen

13. dynamische Kräftigung der Rumpf- und Hüftmuskeln mit Übungsball

14./15. statischer und dynamischer Unterarmstütz mit wechselndem Anheben der Beine

16./17. seitlicher Unterarmstütz statisch und dynamisch mit Anheben des oberen Beins

18. seitlicher Unterarmstütz statisch mit gebeugtem Knie

19. Abspreizen der Hüfte gegen Widerstand

20./21. Kniebeugen auf einem Bein mit Partner, Kniebeugen im Ausfallschritt

Hüfte nicht abknicken bzw. durchhängen lassen (Übungen 12, 13, 16, 17, 18), kein Hohlkreuz/Kopf nicht in den Nacken/Gesäß nicht nach oben strecken (14, 15), Kopf nicht auf Schulter ablegen (16, 17, 18), Oberkörper aufrecht/Knie nicht nach innen knicken/Becken nicht verdrehen (20, 21)

Die einzelnen Elemente können in das 20- bis 30-minütige Aufwärmtraining integriert werden – während der Wettkampfvorbereitung zwei- bis dreimal pro Woche, in der Wettkampfphase einmal wöchentlich. Die Experten schlagen vor, mit dem Laufen zu starten. Kraft-, Sprung- und Balanceübungen absolvieren die Athleten am besten als Zirkeltraining. Der präventive Effekt dieser Maßnahmen ließ sich für den Ballsport bereits nachweisen. Ein Vorteil für weitere Disziplinen liegt nahe. 

Quelle: „Stop X“-Programm zur Prävention von Sportverletzungen am Kniegelenk, stop-x.de

Einbeinige Kniebeugen offenbaren die 
Fehlbelastung. Im Gegensatz zu einer 
X-Beinstellung bergen ein gerades oder ein O-Bein ein geringes Verletzungsrisiko. Einbeinige Kniebeugen offenbaren die Fehlbelastung. Im Gegensatz zu einer X-Beinstellung bergen ein gerades oder ein O-Bein ein geringes Verletzungsrisiko. © MT-Archiv