Vorhofflimmern: Frequenzkontrolle allein reicht nicht aus
Das Primat der Frequenzkontrolle stützt sich vor allem auf die Ergebnisse der AFFIRM-Studie Anfang der 2000er-Jahre. Sie signalisierten, dass die Rhythmuskontrolle beim Vorhofflimmern (AF) keinen Überlebensvorteil bringt. Seither waren die primären Therapieziele, den Schlaganfall zu verhindern und dem Patienten Symptome zu ersparen.
Doch das frühe Vorhofflimmern ist kein harmloser Befund. Sogar bei optimalem Management sterben jedes Jahr etwa 5 % der betroffenen Patienten an kardiovaskulären Komplikationen. „Das Risiko für schwere kardiovaskuläre Komplikationen und Tod ist im ersten Jahr nach der AF-Diagnose am größten“, betonte Professor Dr. Paulus Kirchhof, Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Birmingham.
Eine antiarrhythmische Therapie könnte also den größten Nutzen bringen, wenn sie früh erfolgt. Zumal beim AF innerhalb weniger Wochen Schäden an den Vorhöfen entstehen, die sich durch eine zeitige Rhythmuskontrolle abwenden oder zumindest verringern ließen. Außerdem gibt es keine Hinweise dafür, dass eine antiarrhythmische Therapie oder Ablation Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen schadet.
Vor diesem Hintergrund haben Forscher in elf europäischen Ländern EAST-AFNET 4* gestartet. An dieser Studie nahmen 2789 Patienten teil, bei denen man im vorangegangenen Jahr die AF-Diagnose gestellt hatte. Sie waren entweder älter als 75 Jahre und hatten bereits eine TIA oder einen Schlaganfall erlitten oder sie wiesen mindestens zwei der folgenden Kriterien auf: älter als 65 Jahre, weiblich, Diabetes, Herz- oder Niereninsuffizienz, Hypertonie, schwere KHK, linksventrikuläre Hypertrophie.
Schon Interimsanalyse zeigte Überlegenheit
Nach der Randomisierung erhielten die Patienten entweder eine frühe rhythmusstabilisierende oder aber die übliche Therapie nach Leitlinie.
Die Interventionen in EAST-AFNET 4
Ergebnisse durch bessere Adhärenz verfälscht?
Für Professor Dr. Tatjana Potpara, Universität Belgrad, ist die Studie nicht uneingeschränkt auf alle AF-Patienten übertragbar. Sie wies darauf hin, dass die Patienten als Risikofaktoren vor allem Hypertonie und weibliches Geschlecht mitbrachten und in beiden Gruppen der Anteil adipöser oder übergewichtiger Teilnehmer mit 80 % sehr hoch war. Außerdem hatten nur wenige – bei frisch diagnostiziertem Vorhofflimmern möglicherweise nicht verwunderlich – Anzeichen einer relevanten strukturellen Herzschädigung. Ein Unterschied zwischen den Gruppen bestand darin, dass Patienten mit Rhythmuskontrolle zweimal pro Woche ein EKG ableiten und an den Behandler schicken sollten. Gleiches galt, wenn sie Symptome bekamen. Bei Bedarf konnte dann ein Arztbesuch extra erfolgen, sodass die Betreuung insgesamt intensiver ausfiel. Das könnte die Adhärenz gesteigert und die Ergebnisse beeinflusst haben. Daher ist nicht ganz klar, welchen Anteil am Resultat die frühe Rhythmuskontrolle tatsächlich hat, argumentierte Prof. Potpara. Prof. Kirchhof hielt dagegen, dass zwar 300.000 EKGs übermittelt wurden, aber dadurch nur 100 zusätzliche Visiten in fünf Jahren anfielen. Allzu groß dürfte der Zusatzeffekt demnach nicht gewesen sein.* EAST = Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention Trial AFNET = Kompetenznetz Vorhofflimmern
Quelle: European Society of Cardiology Congress 2020 – The Digital Experience