Der Leistenbruch im Kreuzverhör Was bei Inguinal- und Schenkelhernien zu beachten ist

Autor: Sabine Debertshäuser

Bei einer Inguinalhernie liegt die Bruchpforte oberhalb des Leistenbandes, bei einer Schenkelhernie darunter. Bei einer Inguinalhernie liegt die Bruchpforte oberhalb des Leistenbandes, bei einer Schenkelhernie darunter. © kenchiro168 – stock.adobe.com

Bei Verdacht auf eine Leistenhernie stehen diagnostisch die gründliche Anamnese und die körperliche Untersuchung an erster Stelle. So lassen sich bereits viele Differenzialdiagnosen ausschließen.

Schwellungen im Bereich der Leiste lassen sich mit Blick auf die Ursachen in drei Gruppen einteilen. So können die Beschwerden durch eine Infektion ausgelöst werden. Als zweite Möglichkeit kommt ein malignes Geschehen infrage. Und die dritte Kategorie umfasst Fälle, die der chirurgischen Intervention bedürfen, schreibt eine Autorengruppe um Dr. Theo Pelly vom Royal London Hospital.

Zur chirurgischen Fraktion gehören die Hernien, aber auch Aneurysmen der Femoralarterien, Pseudoaneurysmen sowie Varizen der Vena saphena. Eine Hodentorsion ist mit heftigen Schmerzen in einer Skrotalhälfte verbunden, ein Hodenhochstand wird selten erst im Erwachsenenalter festgestellt. Daneben führen Dr. Pelly et al. Atherome und Lipome an. Letztere sind häufig erst intraoperativ von einer fetthaltigen Hernie zu unterscheiden.

Eine weitere Ursache für Leistenschmerzen und -schwellungen sind inguinale Lymphadenopathien. Pathologisch vergrößerte Lymphknoten können Folge einer Herpes-simplex-Infektion oder einer anderen sexuell übertragbaren Erkrankung sein. In einigen Fällen kann es zu Blasenbildung (Herpes), Hautausschlag (Syphilis) oder systemischen Symptomen wie Fieber und Halsschmerzen (HIV) kommen. In diesen Bereich fallen auch reaktive Schwellungen im Rahmen von Zellulitis und Beinulzera.

An Erkrankungen wie Epididymoorchitis oder eine Bursitis der Hüfte sollte man ebenfalls denken. Maligne Lymphadenopathien in der Leiste beschränken sich v. a. auf Metastasen von Hauttumoren, Krebserkrankungen im Genital- und Analbereich, Lymphome und die chronisch lymphatische Leukämie.

Gastrointestinale Symptome als Indiz für Komplikationen

Anamnestisch sollte man zunächst nach der Dauer der Schmerzen und nach Begleitsymptomen fragen (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Durchfall). Das kann helfen, Komplikationen wie Obstruktion oder Inkarzeration zu erkennen. Bessern sich die Symptome im Liegen und nehmen sie im Stehen oder beim Husten zu? Das spricht für einen Leistenbruch.

Im Verlauf steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Hernie Probleme macht. Im Rahmen einer prospektiven Studie stellte man fest, dass etwa ein Drittel der Leistenhernien innerhalb von zehn Jahren nicht mehr reponierbar war, was die Gefahr für eine Inkarzeration und die Notwendigkeit einer Notfalloperation steigen lässt.

Inguinalhernien kommen häufig bei Kindern bis 5 Jahre und Erwachsenen von 75 bis 80 Jahren vor. Bei Männern ist die Wahrscheinlichkeit für Leistenhernien acht- bis zehnmal höher als bei Frauen, Schenkelhernien sind beim weiblichen Geschlecht häufiger. Tatsächlich scheinen übergewichtige Menschen seltener eine Leistenhernie zu entwickeln. Vielleicht wird die Erkrankung bei ihnen aber auch nur seltener festgestellt.

Eine positive Familienanamnese und chirurgische Eingriffe in der Vorgeschichte prädisponieren für Leistenbrüche. Anamnese und Klinik reichen zur Diagnose meist aus, der Bildgebung bedarf es häufig nicht.

Watchful Waiting nicht ohne Aufklärung über Risiken

Patientinnen und Patienten mit symptomatischen Leistenhernien sollten zur Weiterbehandlung an die Allgemeinchirurgie überwiesen werden. Asymptomatische Befunde rechtfertigen ein beobachtendes Abwarten. Die Betroffenen müssen aber über die Gefahr der Strangulation und Inkarzeration aufgeklärt werden. Ungefähr 2 – 3 % der Personen, bei denen man dieses Watchful Waiting praktiziert, benötigen letztlich eine Notfalloperation.

Quelle: Pelly T et al. BMJ 2024; 386: e079531; doi: 10.1136/bmj-2024-079531