Krebstherapie Was es braucht, um genomische Befunde zu berücksichtigen

Autor: Lara Sommer

Molekulare Zielstrukturen nehmen in der Krebstherapie immer mehr an Bedeutung zu. Molekulare Zielstrukturen nehmen in der Krebstherapie immer mehr an Bedeutung zu. © bong – stock.adobe.com

Die Bedeutung molekularer Zielstrukturen in der Krebstherapie steigt seit Jahren. Neben dem Zugang zu Tests ist ärztliche Expertise erforderlich, damit Patient:innen von den neuen Erkenntnissen profitieren. Wo wir stehen, und ein Blick in die Zukunft.

Befürworter:innen der Präzisionsmedizin versprechen weniger Nebenwirkungen und bessere Erfolge dank individualisierter Behandlungsstrategien. „Wir sind in der personalisierten Onkologie an einer Stelle angekommen, wo wir beginnen, dieses Versprechen nicht nur bei einigen wenigen Erkrankungen zu halten“, schätzte Dr. ­Benedikt ­Westphalen, Comprehensive Cancer Center München, den aktuellen Stand ein.1 Um genomische Untersuchungen bei Tumorerkrankungen sinnvoll einzusetzen, braucht es seiner Ansicht nach allerdings drei Voraussetzungen: 

  • Zugang zu qualitätsgesicherter Diagnostik
  • Expertise für die Interpretation der Ergebnisse
  • Zugang zu entsprechenden Therapeutika

Ärztliche Wissenslücken und mangelnde Datennutzung 

„Es ist wichtig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir personalisierte Onkologie in die Breite tragen können“, plädierte der Referent für eine flächendeckendere Verfügbarkeit von Tests und zielgerichteten Behandlungen. In älteren Daten haben genomische Untersuchungen bei 35–40 % der Patient:innen mit fortgeschrittenen Tumoren eine therapeutisch nutzbare Zielstruktur identifiziert. Das Hauptproblem läge darin, dass nur bis zu 12 % der Untersuchten eine am Ergebnis orientierte Therapie erhielten. 

In einer Umfrage am Dana-Farber Cancer Institute, Boston, gab die Hälfte der befragten Ärzt:innen an, sich die mit einer Multiplex-Tumordiagnostik verbundenen Aufgaben „eher zuzutrauen“.2 Dr. Westphalen bezeichnete es als erschreckend, dass 30 % sich dem „nicht“ oder „eher nicht“ gewachsen fühlten. Spätere Untersuchungen hätten Wissens­lücken bezüglich der erweiterten molekularen Diagnostik bestätigt.

Enge Zusammenarbeit mit Pathologie empfohlen

Art und Umfang einer molekularen Testung hängen von der jeweiligen Indikation ab. „In der Regel ist es wichtig, dass Sie sich mit Ihren Kolleg:innen aus der Pathologie klar verständigen: Was ist in der aktuellen Situation die beste Testmethode?“, riet Dr. Westphalen. Es komme auf die Zusammenarbeit zwischen Onkologie und Molekularpathologie an, um in Zukunft adäquat behandeln zu können.

In den nächsten Jahren erwartet er eine Vielzahl neuer zielgerichteter Medikamente. „Wir müssen überlegen, wie wir die Diagnostik für alle Betroffenen vorhalten, und nicht nur in limitierten, nicht skalierbaren Präzisionsonkologieprogrammen“, mahnte der Experte. 

Insgesamt kann eine umfassende Tumorprofilierung gemäß Dr. Westphalen die Standardbehandlung beeinflussen, das Screening für klinische Studien unterstützen und die Behandelnden mit zusätzlichen Informationen versorgen. Das Fachgebiet der molekular getriebenen Medizin entwickelt sich schnell weiter. „Leitlinien können diese Entwicklung deshalb nur unzureichend abbilden“, erläuterte der Referent. Er fordert, die künstliche Trennung zwischen Diagnostik und Therapie aufzubrechen und eine integriertere Versorgung anzustreben. Als weitere Herausforderungen kämen zukünftig auch personalisierte Früherkennung und Prävention auf das Gesundheitssystem zu.

Quellen:
1.    Westphalen B. DGHO Frühjahrstagung 2023; Vortrag „Methoden der Therapiesteuerung: Genomdiagnostik“
2.    Gray SW et al. J Clin Oncol 2014; 32: 1317-1323; DOI: 10.1200/JCO.2013.52.4298
Virtuelle DGHO Frühjahrstagung 2023