Schulterschmerz schnell abklären Was hinter Beschwerden rund um das Gelenk stecken kann
In der hausärztlichen Sprechstunde berichten Patienten meist über länger bestehende Schulterbeschwerden, schreiben Dr. Richard Murphy und Fiona Bintcliffe von der Traumatologie und Orthopädie am Royal Sussex County Hospital in Brighton. Die Fragen nach Dauer, Entwicklung der Schmerzen im Verlauf (konstant, schlimmer geworden) und Zeitpunkt (Belastung/Ruhe) sind die Basis der Anamnese. Einige spezielle Klagen lassen dann schon auf die Ursachen schließen.
Subakromialsyndrom kommt am häufigsten vor
Berichtet der Betroffene etwa über Probleme damit, den Arm über Schulterhöhe zu heben, dann liegen oft eine Frozen Shoulder, Schultergelenkarthrose oder ein großer Riss der Rotatorenmanschette vor. Ist die Abduktion zwar möglich, aber meist nur unter verstärkten Schmerzen machbar („schmerzhafter Bogen“), spricht diese Besonderheit eher für eine Arthrose im Akromioklavikulargelenk oder eine Tendinopathie der Rotatorenmanschette. Letztere wird mit einer subakromialen Bursitis und dem Impingement-Syndrom unter dem weiten Begriff des Subakromialsyndroms zusammengefasst – die häufigste Ursache für Schulterbeschwerden. Einschießende Schmerzen weisen auf Nervenläsionen im Bereich der Halswirbelsäule hin. Kann der Patient nachts auf der betroffenen Schulter liegen, spricht das grundsätzlich für ein noch erträgliches Ausmaß der Beschwerden.
Wann die schnelle Überweisung nötig ist
Einige akute Erkankungen der Schulter bedürfen der raschen Versorgung durch Orthopäden oder Chirurgen. Achten Sie auf die Warnzeichen:
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Verdacht auf Tumor: neu aufgetretene Weichteilschwellung, v.a. bei Patienten mit einem Karzinom in der Anamnese, fachärztliche Begutachtung sollte binnen zwei Wochen erfolgen
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Infektion: akuter Schmerz, gerötetes, überwärmtes, geschwollenes Gelenk.
Schwellung bzw. Erguss sind an der Schulter manchmal schwer zu erkennen, die Überweisung sollte daher beim Verdacht auf eine Infektion großzügig erfolgen (am selben Tag!).
Auch eine Tendinosis calcarea („Kalkschulter“) lässt sich im akuten Zustand kaum von einer septischen Arthritis unterscheiden. Daher muss bei dieser Exazerbation umgehend ein Facharzt draufschauen.
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Luxation: gewöhnlich infolge von Ereignissen (z. B. Traumata, Krampfanfälle), Beweglichkeit aufgehoben, Kontur des Gelenks verstrichen, notfallmäßige Versorgung am selben Tag ist erforderlich
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Akute Rotatorenmanschettenruptur: Traumafolge, Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit, meist junge bis mittelalte Patienten, zügige Vorstellung beim Spezialisten zur eventuell dringlichen OP ist geboten
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Neurologischer Schaden: plötzliche motorische oder sensorische Defizite, Konsil sollte am selben Tag veranlasst werden
Im Rahmen der Untersuchung lassen sich im Bereich der Halswirbelsäule zum Beispiel muskuläre Verspannungen tasten oder lokale Druckschmerzpunkte ausmachen; der Nacken kann möglicherweise nicht mehr frei bewegt werden. Hinweise für eine Arthrose im Akromioklavikulargelenk sind Druckschmerz oder das Unvermögen, die Hand auf die andere Schulter zu legen.
Nur ein gesundes Schultergelenk erlaubt eine passive Außenrotation des Unterarms, wenn der Oberarm eng seitlich am Oberkörper anliegt; dies ist bei einer Arthrose erschwert. Auf ein Impingement-Syndrom oder eine Tendinopathie der Rotatorenmanschette weist neben dem schmerzhaften Bogen der positive Supraspinatus-Test nach Jobe („Empty-Can“-Test) hin, also die erschwerte oder schmerzhafte Abduktion des gestreckten Oberarms mit nach unten zeigenden Daumen. Eine Schultergelenk-Instabilität ergibt sich in der Regel anamnestisch; entsprechende Tests sind eher dem Orthopäden vorbehalten, erklären die Autoren.
Um asymptomatische Zufallsbefunde zu vermeiden, sollte eine Röntgenaufnahme vom Allgemeinarzt nur angefordert werden, wenn Arthrose im Acromioklavikular- oder Schultergelenk als Ursache der Schmerzen vermutet wird.
Der therapeutisch erste Schritt bei länger als drei Monaten bestehenden Beschwerden ist die Gabe von NSAR. Eine oder maximal zwei Kortikoidinjektionen können für einige Wochen lindernd wirken, haben aber kaum einen Langzeiteffekt. Hohe Evidenz liegt dagegen für eine personalisierte Physiotherapie vor, einige Studien zeigen auch für das Taping des Gelenkes gute Ergebnisse. Bleiben diese Maßnahmen erfolglos, sollte an den Facharzt überwiesen werden.
Quelle: Murphy RJ, Bintcliffe F. BMJ 2023; 382: p1255; DOI: 10.1136/bmj.p1255