Ursachensuche in drei Fällen Was hinter einer chronischen Diarrhö stecken kann
Zöliakie trotz Glutenverzicht
Eine 73-jährige Patientin litt seit 27 Jahren an chronischer Diarrhö mit bis zu fünf wässrigen, unblutigen Stuhlgängen am Tag. Vor vier Jahren wurde anhand einer Gastroduodenoskopie eine Zöliakie Typ 3B nach Marsh diagnostiziert. Unter glutenfreier Kost besserten sich die Beschwerden. Doch dann bekam die Frau erneut Durchfälle, verlor an Gewicht und stellte sich in der Klinik vor, berichtete PD Dr. Michael Schumann von der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Alle typischen Differenzialdiagnosen wie M. Crohn, mikroskopische Kolitis, M. Whipple oder Autoimmunenteropathie konnten ausgeschlossen werden. Die Kollegen tippten auf eine refraktäre Zöliakie, bei der es trotz strikter glutenfreier Ernährung zum Malabsorptionssyndrom kommt. So auch bei der Patientin, die inzwischen anämisch war, eine Hypoalbuminämie sowie einen Folsäure- und einen Zinkmangel aufwies. Die Zottenatrophie bestand weiter und die nun gemessenen Transglutaminase-IgA waren gering erhöht, HLA-DQ2 positiv.
Bei einer refraktären Zöliakie ist es wichtig, zwischen Typ 1 und Typ 2 zu differenzieren, denn Patienten mit Typ 2 können ein T-Zell-Lymphom entwickeln, so Dr. Schumann. Die dazu nötige Immunphänotypisierung (CD3- und CD8-Bestimmung) erfolgt an spezialisierten Zentren. Bei der Patientin fehlte das Antigen CD8 bei mehr als 50 % der intraepithelialen T-Zellen. Somit lautete die Diagnose: refraktäre Zöliakie, Typ 2.
Infektion im Verborgenen
Ein 18-jähriger Somalier lebte seit anderthalb Jahren in Deutschland. Als er dem Team um Dr. Christoph Ammer-Herrmenau von der Universitätsmedizin Göttingen zugewiesen wurde, litt der junge Mann seit einer Woche an Fieber und Durchfall (wässrig, vier- bis fünfmal am Tag), sein Allgemeinzustand war reduziert. Zuvor war er bereits in einem anderen Krankenhaus mit Verdacht auf eine infektiöse Gastroenteritis antibiotisch behandelt worden.
Dr. Ammer-Herrmenau und sein Team wiederholten eine Stuhldiagnostik und testeten auf Campylobacter, Shigellen, Salmonellen und Yersinia – alles negativ. Die Abdomensonografie ergab einen punktierbaren Pleuraerguss, einen perihepatischen Aszites sowie eine kurzstreckige Wandverdickung. In der MRT waren eine Lymphadenitis mesenterialis und ein Kontrastmittel-Enhancement an der Ileozökalklappe erkennbar, die Koloskopie zeigte eine chronisch aktive fokale Entzündung. Es konnte weder eine Infektion mit Mykobakterien histologisch nachgewiesen werden, noch besserte sich der Zustand unter Kortisongabe bei Verdacht auf Morbus Crohn. Fünf Wochen später betrug der BMI nur noch 12,1 kg/m2.
Das Team endoskopierte und biopsierte erneut. Dieses Mal konnte es Mykobakterien nachweisen – der junge Mann litt also tatsächlich an einer abdominellen Tuberkulose. Das Problem war gewesen, dass der Patient bis zwei Tage vor der initialen Koloskopie Meropenem bekommen hatte. In den Wochen vor der Re-Koloskopie hatte er hingegen keine Antibiotika mehr eingenommen. Das Fazit vom Referenten: Beim Nachweis von Mykobakterien muss man darauf achten, dass viele Standardmedikamente, darunter Betalaktame, tuberkulosestatisch wirken und so die Diagnostik verfälschen.
Infiltrate als Indiz
Eine 53-jährige MFA berichtete, dass sie seit Jahren an imperativem Stuhldrang, Durchfällen (bis zu viermal am Tag) und Blähbauch litt. Seit einem Jahr konnte sie Resistenzen im rechten Unterbauch ertasten. Ihr BMI lag bei 17,9 kg/m2. Ein Reizdarmsyndrom war bekannt und seit einigen Jahren musste sie teilweise nach dem Essen erbrechen.
Die körperliche Untersuchung bestätigte eine palpable druckdolente Walze im rechten Unterbauch, berichtete Prof. Dr. Martin Raithel vom Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen. Die Darmgeräusche waren normal, ebenso die Laborwerte (Leuko- und Erythrozytenzahlen, CRP, IgA etc.). Im Ultraschall fielen eine Lymphadenitis mesenterialis und echoreiche Wandverdickungen im Zökum auf. Mittels Endoskopie und Histologie ermittelten die Kollegen eine Soor-Ösophagitis, eine erosive Antrumgastritis und Duodenitis sowie eine unregelmäßig verteilte geringgradige Vermehrung der Eosinophilen im rechten Hemikolon (1–18 Eos/Blickfeld). Die infektiologischen Untersuchungen waren unauffällig.
Eine symptomatische Therapie mit PPI und Nystatin besserte die Beschwerden nicht. Erneute Biopsien erbrachten eine Eosinophilie im Duodenum und im rechten Hemikolon, sodass man eine eosinophile Enterokolitis vermutete. Auf Budesonid sprach die Patientin gut an, doch die intermittierenden Auslassversuche gelangen nicht; die Beschwerden traten wieder auf.
Als die Frau drei Jahre später wieder in die Klinik kam, litt sie zusätzlich an einer Polyneuropathie. Alle zuvor untersuchten Laborparameter waren unverändert. Allerdings lag der nun bestimmte Wert der Mastzelltryptase mit 85 µg/l deutlich über dem Grenzwert. Das passte zu den Ergebnissen der neuen Biopsien: Histologisch zeigten sich eine lymphozytäre Ösophagitis sowie eine erhöhte Anzahl von Eosinophilen und eine fragliche Mastzellvermehrung im Kolon. Die CD117- und CD25-Simultanfärbung ließ dicht angeordnete, konfluierende Mastzellaggregate erkennen.
Solche Infiltrate konnten auch im Knochenmark nachgewiesen werden. Molekularpathologisch zeigte sich eine KIT*-Punktmutation, woraufhin eine primäre systemische Mastozytose diagnostiziert wurde. Unter Desloratadin und Cimetidin besserten sich die Beschwerden der Patientin langfristig.
* Tyrosinkinase KIT
Quelle: Kongressbericht 130. Kongress der DGIM