Generalisierte Angststörung Was kann die Behandlung mit standardisierten Phytotherapeutika leisten?
Die generalisierte Angststörung (generalized anxiety disorder, GAD) und weitere Formen von Angsterkrankungen sprechen durchaus auf sogenannte Phytoceuticals an. Insbesondere in schwereren Fällen sollte deren Gabe jedoch in ein medizinisches Gesamtkonzept eingebunden werden, betonen die Autoren einer neuen Leitline von WFSBP* und CANMAT**. Dann könne man häufig eine zusätzliche Symptomlinderung erreichen, so Prof. Dr. Jerome Sarris von der Western Sydney University im australischen Westmead und Kollegen.
Mit hoher Evidenz wird ein Klassiker unter den pflanzlichen Heilmitteln empfohlen – Lavendel allein oder zusätzlich zur üblichen Therapie. Diese Einschätzung basiert auf drei randomisierten kontrollierten Studien. Auch eine Besserung somatischer Beschwerden einschließlich Insomnie und Fatigue konnte für Lavandula officinalis gezeigt werden. Standardisierte Ölpräparate in Kapselform (1x täglich 80–160 mg) sind gegenüber Teezubereitungen von unbekannter Qualität zu bevorzugen.
Ayurveda-Wurzel bei bipolarer Störung
Eine weitere empfehlenswerte Option ist die Schlafbeere (Withania somnifera). Sie eignet sich bei Angststörungen und insbesondere bei GAD sowohl „mono“ als auch ergänzend. Verwendet werden Extrakte, die auf 5 % Withanolide standardisiert sind, in einer Tagesdosis von 300–600 mg. Bei etwaiger bipolarer Komorbidität kann die auch Ashwagandha genannte Heilpflanze zudem positiven Einfluss auf die Kognition nehmen. Auch die oberirdischen Teile von Galphimia glauca lassen sich zur Behandlung der GAD nutzen. Empfohlen wird eine Dosis von 350–700 mg pro Tag standardisiert auf Galphimin-B. Die Wirksamkeit belegen zwei randomisierte kontrollierte Studien mit Lorazepam als Positivkontrolle, ernste Nebenwirkungen wurden bisher nicht beschrieben.
Dauereinnahme von Kava nicht empfohlen
Eine weitere traditionelle Heilpflanze ist der Rauschpfeffer, auch Kava oder Kawa-Kawa genannt. Extrakte aus dem Wurzelstock von Piper methysticum werden zur dauerhaften Behandlung der GAD jedoch nicht empfohlen. In einer Metaanalyse ließ sich kein Effekt nachweisen, ebenso wenig in einer großen placebokontrollierten Studie neueren Datums. Allerdings ist die Wirksamkeit in der Akutsituation gut belegt.
Unter Kava kam es vereinzelt zu schweren Leberschäden, weshalb die Autoren v.a. bei Patienten mit hepatischen Vorerkrankungen zu Zurückhaltung raten. Möglicherweise gingen die Vorfälle aber auch auf eine mangelhafte Qualität der Extrakte zurück. Sicherheitshalber sollten mit Kava behandelte Patienten auf Alkohol und Benzodiazepine verzichten.
Die Anwendung von Kamille in der Angsttherapie befürworten die Autoren aufgrund widersprüchlicher Resultate eher nicht. Als Tee zubereitet, könnten die getrockneten Blüten aber eventuell bei abklingender Symptomatik zur weiteren Linderung beitragen.
Neben pflanzlichen Präparaten kommen als „sanfte“ Medikation auch Nutrazeutika in Betracht – nährstoffbasierte Heilmittel. Den Leitlinienautoren zufolge besteht in der GAD-Therapie jedoch einzig für N-Acetylcystein (NAC) eine geringe Evidenz. Es kann in einer Tagesdosis von 2–3 g zur unterstützenden Therapie bei Zwangsstörungen eingesetzt werden, die die Autoren zu den Angsterkrankungen zählen. Das Nahrungsergänzungsmittel kann zwar Zwangssymptome lindern, nicht aber das Grübeln. Gegen Trichotillomanie wird NAC aufgrund widersprüchlicher Studienergebnisse nicht empfohlen. Langzeitdaten zur Anwendung bei Paracetamolüberdosierung belegen die Sicherheit von NAC.
* WFSBP: World Federation of Societies of Biological Psychiatry
** CANMAT: Canadian Network for Mood and Anxiety Treatments
Quelle: Sarris J et al. World J Biol Psychiatry 2022; 1-32; DOI: 10.1080/15622975.2021.2013041