
Der Hypoglykämie gegensteuern Was Sie Menschen mit Diabetes zum sicheren Autofahren raten können

Die Auswirkungen eines Diabetes auf den Alltag hängen von unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu gehören z. B. die Medikation, aber auch der Krankheitsverlauf sowie bereits eingetretene Komplikationen. Eine pauschale Beurteilung von Fahrsicherheit und Fahreignung, die ausschließlich auf der Diagnose der Stoffwechselerkrankung basiert, ist daher unzulässig, schreibt eine Arbeitsgruppe um Oliver Ebert, REK Rechtsanwälte in Stuttgart.
Als wichtigster Einzelfaktor für Unfälle bei Menschen mit Diabetes gilt das Auftreten schwerer Hypoglykämien. Voraussetzung für die Fahrsicherheit ist die adäquate Wahrnehmung erster Warnzeichen einer Unterzuckerung. Denn nur dann kann die oder der Betroffene Gegenmaßnahmen ergreifen – beispielsweise, indem rasch wirksame Kohlenhydrate eingenommen werden.
Eingeschränkte Fahrleistung wird oft nicht wahrgenommen
In Abhängigkeit von der Reversibilität werden partielle und irreversible Wahrnehmungsstörung unterschieden. Eine partielle Beeinträchtigung kann bereits nach einer einzigen Hypoglykämie vorliegen, betont das Autorenteam. In einer experimentellen Studie zum Typ-1-Diabetes zeigte jede bzw. jeder Dritte bei Glukosewerten unter 50 mg/dl eine beeinträchtigte Fahrleistung im Simulator. Nur etwa die Hälfte der Betroffenen erkannte diese auch, jede bzw. jeder Vierte hielt sich für verkehrssicher und wäre im Alltag weitergefahren.
Das Risiko für Hypoglykämien kann durch eine Vielzahl von Maßnahmen reduziert werden: Dazu gehört die Optimierung von Messfrequenz, Insulintherapie und Blutzuckerzielwerten, aber auch die strikte Vermeidung niedriger Glukosespiegel und Unterzuckerungen. Menschen mit Typ-1-Diabetes kann z. B. ein kontinuierliches Glukosemonitoring helfen, das vor einem Absinken der Serumspiegel warnt. Eine strukturierte Diabetesschulung minimiert Behandlungsfehler und verbessert zudem die Detektion von Stoffwechselentgleisungen.
Zur Prophylaxe von Hypoglykämien empfehlen die Autorinnen und Autoren, die Blutglukose vor Fahrtbeginn und bei längerem Reisen mindestens alle drei Stunden zu kontrollieren. Vor dem Losfahren sollte der Spiegel nicht unter 90 mg/dl liegen. Wird dieser Wert unterschritten, muss er durch Aufnahme von Kohlenhydraten erhöht werden. Außerdem sollten Diabetespatientinnen und -patienten immer kohlenhydrathaltige Lebensmittel mitführen. Bei Anzeichen für eine Unterzuckerung oder Werten unter 70 mg/dl muss die Fahrt sofort unterbrochen werden.
Zur Akutbehandlung wird die Einnahme von mindestens 2 KE/BE rasch wirksamer Kohlenhydrate (z. B. Traubenzucker, Limonade) empfohlen. Wenn die nachfolgende Messung die Unterzuckerung bestätigt, sollten zur Prophylaxe eines erneuten Abfalls zusätzlich langwirksame BE/KE verzehrt werden. Vor dem Fahrtantritt muss die kognitive Leistung vollständig wiederhergestellt sein (frühestens nach 20 Minuten). Nach der Therapie muss so lange kontrolliert werden, bis der BZ-Spiegel stabil über 90 mg/dl liegt. Zur Vorsicht sollte man Menschen mit Diabetes explizit und regelmäßig nach Hypoglykämien und Verkehrsauffälligkeiten fragen.
Regelmäßige augenärztliche Kontrollen empfohlen
Gleichbleibend hyperglykämische Werte haben keinen nachgewiesen negativen Einfluss auf die Fahrsicherheit. Eine rasche Senkung langfristig stark erhöhter Spiegel kann die Linsenbrechkraft und damit die Sehkraft über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten beeinträchtigen. Im Zweifelsfall sollte das Sehvermögen fachärztlich geprüft werden. Ohnehin sollte jede Person mit Diabetes regelmäßig augenärztliche Kontrollen wahrnehmen.
Alle Patientinnen und Patienten müssen umfassend und mündlich über ihre Fahrtüchtigkeit aufgeklärt werden, ein schriftlicher Bogen genügt nicht. Ein ärztliches Fahrverbot sollte unbedingt zusätzlich in Schriftform mitgeteilt werden, rät das Autorenteam. Aus Beweisgründen ist es sinnvoll, sich die Aufklärung von den Betroffenen schriftlich bestätigen zu lassen. Bei unzureichendem oder unterlassenem Gespräch drohen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche, auch vonseiten der Kassen.
Quelle: Ebert E et al. Diabetologie 2025; 1-15; DOI: 10.1007/s11428-024-01287-6