Erst Hypoglykämie, dann kardiovaskuläres Ereignis – oder umgekehrt?
In verschiedenen Studien waren schwere Hypoglykämien und schwere kardiovaskuläre Ereignisse signifikant assoziiert, berichtete Professor Dr. Eberhard Standl, Forschergruppe Diabetes e.V. am Helmholtz Zentrum München. So trat in der ADVANCE-Studie bei Patienten mit Diabetes Typ 2 ein erstes schweres kardiovaskuläres Großgefäßereignis nach einer schweren Hypoglykämie im Median nach 1,56 Jahren auf. Das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) erhöhte sich innerhalb einer medianen Beobachtungszeit von fünf Jahren um den Faktor 2,88.¹ Allerdings basierte diese Auswertung auf geringen Fallzahlen, betonte Prof. Standl. Nur bei 33 Patienten kam es im Rahmen der Studie zu einer schweren Hypoglykämie.
Einfluss leichter Unterzuckerung unklar
Fragile Patienten leiden häufiger unter MACE und Hypoglykämien
In der TECOS-Studie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes lag auch die umgekehrte Assoziation vor: Nach kardiovaskulären Ereignissen traten schwere Hypoglykämien häufiger auf.² Dies widerspricht laut dem Experten dem Punkt, schwere Hypoglykämien als Ursache von kardiovaskulären Ereignissen anzusehen. Eine genauere Betrachtung der Betroffenen ergab, dass es sich gehäuft um fragile Patienten handelte, die für beide Komplikationen vulnerabel waren. Das bestätigt laut Prof. Standl auch eine Analyse der wenigen Patienten, bei denen es in der EXSCEL-Studie zu beiden Ereignissen kam.³ Unabhängig davon, welches Ereignis zuerst auftrat, waren die Teilnehmer bei Studieneinschluss älter und länger an Diabetes erkrankt. Zudem hatten sie meist schon früher ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten, wiesen häufiger Komorbiditäten wie Herz- oder Niereninsuffizienz auf und nahmen entsprechend viele Medikamente ein. Der Referent sieht deshalb als wichtige Ursache sowohl von schweren Hypoglykämien als auch kardiovaskulären Ereignissen die besondere Vulnerabilität von Diabetespatienten mit hoher Komorbidität. Diese müsse man erkennen, um die Dosis oder den Einsatz von Wirkstoffen mit einem hohen Potenzial für Hypoglykämien zu minimieren. Prof. Standl empfahl hierfür den Charlson Comorbidity Index, der Alter und verschiedene Erkrankungen umfasst. Mit ihm lässt sich die Wahrscheinlichkeit des Zehn-Jahres-Überlebens errechnen.Quellen:
¹ Zoungas S et al. N Engl J Med 2010; 363: 1410-1418; DOI: 10.1056/NEJMoa1003795
² Standl E et al. Diabetes Care 2018; 41: 596-603; DOI: 10.2337/dc17-1778
³ Standl E et al. J Am Coll Cardiol 2019; 73: 24; DOI: 10.1016/S0735-1097(19)30633-3
Kongressbericht: EASD 2019