Amyloidose Welche Frühsymptome und Befunde auf die richtige Fährte führen
Am Herzen werden zwei Formen der Amyloidose unterschieden: Die ATTR- und die AL-Amyloidose. Erstere entsteht durch eine Fehlfaltung von Transthyretin, einem Transportprotein für Thyroxin und Retinol. Die zweite wird durch Leichtketten-Immunglobuline hervorgerufen. Als Auslöser für die AL-Amyloidose fungieren Multiples Myelom, unspezifische Gammopathie und B-Zell-Lymphom, schreiben Dr. Claudia Meier und Prof. Dr. Ali Yilmaz vom Universitätsklinikum Münster.
Die Wildtyp-ATTR-Amyloidose (ATTRwt) manifestiert sich hauptsächlich kardial. Sie tritt vor allem im höheren Alter (> 70 Jahre) auf und befällt zu mehr als 90 % Männer. Zu den wichtigsten Folgen zählt die überwiegend diastolische Herzinsuffizienz. In ihrer Folge kommt es häufig zu Dyspnoe, Leistungsverlust und Ödemen.
Karpaltunnelsyndrom kann dem Herzbefall vorausgehen
Im Spätstadium fallen Arrhythmien in Form von atrioventrikulären Überleitungsstörungen und Vorhofflimmern auf, seltener sind ventrikuläre Rhythmusstörungen zu finden. Eine mikrovaskuläre Dysfunktion kann zu Angina-pectoris-Beschwerden führen. Vielfach bestehen auch extrakardiale Manifestationen wie Karpaltunnelsyndrom, atraumatische Bizepssehnenruptur und Spinalkanalstenose, die bereits Jahre vor dem Herzbefall auftreten können.
Patienten mit genetisch bedingter ATTR-Amyloidose klagen neben den kardialen Symptomen vor allem über axonal-polyneuropathische Beschwerden, die sich schon im jungen Alter (< 50 Jahre) entwickeln können. Sie äußern sich vor allem mit einem gestörten Temperatur- und Schmerzempfinden, das an der unteren Extremität beginnt.
Die Leichtketten-Amyloidose imponiert wie viele onkologische Erkrankungen vor allem mit Allgemeinsymptomen wie Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit. Auch Niere, Magendarmtrakt und Leber können betroffen sein. Die Lebenszeit wird vor allem durch die Herzbeteiligung verkürzt. Für die Diagnostik gilt: Nach Leichtketten sollte immer gesucht werden, wenn sich der Verdacht auf eine kardiale Amyloidose ergibt.
Labordiagnostisch kommt es häufig zu einem Anstieg kardialer Enzyme wie NT-proBNT und Troponin. Die erhöhte Konzentration ist aber keineswegs spezifisch für die kardiale Amyloidose. Veränderte Leberwerte können von einer hepatischen Beteiligung ebenso zeugen wie von einer Rechtsherzinsuffizienz. Auch die Nierenfunktion sollte regelmäßig kontrolliert werden.
Die als klassisches Kriterium angesehene Niedervoltage im EKG findet sich bei weniger als der Hälfte der Patienten. Es können AV-Überleitungsstörungen bis hin zum AV-Block dritten Grades auftreten, ebenso Vorhofflimmern und ein verlängertes QT-Intervall. In der Echokardiografie ist die Verdickung des Herzmuskels das Kardinalzeichen. Sie wird durch eine extrazelluläre Ablagerung des Amyloids hervorgerufen. Die systolische Funktion (LVEF) bleibt meist bis in das Spätstadium erhalten.
Die Vergrößerung der Vorhöfe lässt sich durch einen primären Befall und durch die restriktive Veränderung des Ventrikelmyokards erklären. Mit zunehmendem Schweregrad kommt es vielfach zu einem Perikarderguss mit begleitender pleuraler Effusion. Auch ohne Flimmern können sich Thromben im Vorhofohr bilden.
Einen hohen Stellenwert besitzt inzwischen die Knochenszintigrafie. Mit ihrer Hilfe lässt sich die kardiale ATTR-Amyloidose mit hoher Sicherheit nicht-invasiv nachweisen. Allerdings genügt diese Untersuchung weder zum Ausschluss noch zur Bestätigung einer AL-Amyloidose. Auch mit falsch positiven bzw. negativen Befunden ist zu rechnen und eine frühe ATTR-Manifestation kann der Szintigrafie entgehen.
Auch die kardiale MRT gehört heute zur Routinediagnostik. Sie zeigt eine besonders charakteristische Kontrastmittelanreicherung. Diese beginnt zumeist in den subendokardialen Schichten der basalen linksventrikulären Wand. Anhand von ergänzenden Befunden lassen sich Myokardstruktur und Ausmaß der Amyloidablagerungen erkennen. Die Herz-MRT (charakteristisches Late-Gadolinium-Enhancement) in Kombination mit der Leichtkettenauswertung (Ausschluss einer monoklonalen Gammopathie) besitzt einen hohen prädiktiven Wert für das Vorliegen einer ATTR-Amyloidose.
Genetische Untersuchung bei ATTR-Amyloidose
Die beiden Autoren empfehlen, für die Diagnose der kardialen Amyloidose die modernen Verfahren (Szintigrafie bzw. MRT) zu nutzen. Die Auswahl richtet sich nach lokaler Expertise und Verfügbarkeit. Eine genetische Untersuchung (Transthyretin-Gen) wird bei Patienten mit ATTR-Amyloidose empfohlen, um zwischen erworbener und hereditärer Form zu differenzieren. Im letztgenannten Fall ist eine RNA-basierte Therapie möglich (Gene-Silencing).
Auch heute kommt die Endokardbiopsie noch in Betracht, wenn die nicht-invasive Abklärung keine eindeutige Diagnose ergibt. Sie kann zudem dann nützlich sein, wenn im Rahmen der onkologischen Abklärung bei Verdacht auf eine Leichtketten-Amyloidose eine extrakardiale Biopsie nicht möglich oder nicht zielführend ist.
Quelle: Meier C, Yilmaz A. Innere Medizin 2023; 654: 830-841; DOI: 10.1007/s00108-023-01571-5