Welche Tests sind bei Verdacht auf Reizdarm sinnvoll – und welche nicht?
Die Diagnosestellung anhand von Positivkriterien stärkt die Arzt-Patienten-Bindung und die Adhärenz“, betonte Privatdozentin Dr. Miriam Stengel, Gastroenterologin an der Helios Klinik Rottweil. Dafür müssen zuallererst die Anamnese sowie das Muster und das Ausmaß der Beschwerden mit einem Reizdarm vereinbar sein. Als Nächstes gilt es gemäß der in Vorbereitung befindlichen Leitlinie, alle relevanten Krankheiten, die mit denselben Symptomen einhergehen können, gezielt auszuschließen.1
Die Symptome können beispielsweise Schmerzen, Diarrhö, Flatulenz und Obstipation umfassen – einzeln oder in Kombination. Ausschlaggebend ist lediglich, dass die Patienten durch die Beschwerden relevant beeinträchtigt werden.
Warnhinweise für andere, teils schwerwiegende Ursachen solcher Symptome sind:
- Gewichtsverlust
- Fieber bzw. Entzündungszeichen
- Blut im Stuhl
- Anämie
- kolorektales Karzinom in der Familienanamnese
- stärker werdende Beschwerden
- neue oder akute Beschwerden, kurze Anamnese (Tage/Wochen, < drei Monate)
- nächtliches Auftreten der Symptome
Eine Differenzialdiagnose, die es auf jeden Fall auszuschließen gilt, sind Karzinome. Wenn die Symptome erst seit weniger als drei Monaten bestehen, ist das Risiko für Kolorektaltumoren um das 8,4-Fache erhöht.
Reizdarmähnliche Symptome auch bei Crohn oder Zöliakie
Ovarialkarzinome äußern sich bei 85 % der Betroffenen mit typischen Reizdarmbeschwerden. Häufig sind diese die ersten Zeichen überhaupt, bis zur Diagnosestellung dauert es meist mehr als sechs Monate. Neuroendokrine Tumoren können insbesondere schwere Diarrhöen verursachen. Reizdarmähnliche Symptome treten aber auch bei einer Zöliakie sowie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf, vor allem dann, wenn der Dünndarm beteiligt ist.
Neben diesen Erkrankungen kommen Malabsorption, Darmmotilitätsstörungen, eine Divertikulose, eine Fehlbesiedelung des Darms, Inkontinenz oder gynäkologische Ursachen infrage. Wichtig ist auch die Medikamentenanamnese, betonte Dr. Stengel. Denn hinter Blähungen, Diarrhö, Verstopfung und Schmerzen können sich auch Medikamentennebenwirkungen verbergen.
Tipps zur Ernährung
- Anamnese:
- allgemein (Alarm- und extraintestinale Symptome)
- Medikamente
- Ernährung
- psychosoziale Faktoren
- körperliche und rektale Untersuchung
- Basislabor inkl. Zöliakie-Antikörper
- Stuhluntersuchung (pathologische Keime, Calprotectin)
- Abdomensonographie
- bei Frauen: gynäkologische Untersuchung
- symptomabhängig individuelle Zusatzdiagnostik
Biomarker- und IgG-Tests bringen keinen Nutzen
Alle genannten diagnostischen Schritte sollten einmal umfassend durchgeführt werden. Eine Wiederholungsdiagnostik ist unbedingt zu vermeiden – auch wenn der Patient diese wünscht, betonte Dr. Stengel. Denn wenn die erste Abklärung gründlich erfolgt, bleibt die Diagnose Reizdarmsyndrom in 97 % der Fälle auch bei erneuten Untersuchungen stabil. Komplett sparen kann man sich laut Dr. Stengel Biomarkertests jeglicher Art. Auch eine mikrobielle Analytik der kommensalen Darmmikrobiota und die Testung auf nahrungsspezifisches IgG werden in der aktualisierten Leitlinie weiterhin ausdrücklich nicht empfohlen werden.* Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
Quelle: 1. Layer P et al. S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie, AWMF-Register-Nr. 021-016 (Überarbeitung in Vorbereitung)