Flugreisen mit Krankheiten Wer darf denn gleich in die Luft gehen?
Wenn es darum geht, Patienten sicher und ohne Notfall im Flugzeug zu transportieren, muss man im Wesentlichen zwei Dinge im Blick haben: Der Druck während des Fluges entspricht in etwa der Situation, die man auf der Erde in 2.200–2.500 Metern über dem Meeresspiegel vorfindet. Und die relative Luftfeuchtigkeit in der Kabine liegt bei nur 10 %. Der Sauerstoffpartialdruck (pO2) fällt an Bord einer Verkehrsmaschine auf etwa 65 mmHg. Mit ihm kommen im Allgemeinen auch kranke Menschen und Patienten mit Verletzungen oder nach Operationen gut zurecht, erklärte Dr. Roland Nowak vom Medizinischen Dienst der Deutschen Lufthansa. Als individuelle Kofaktoren sind ggf. der Hämoglobingehalt und die kardiale Funktion zu beachten sowie möglicherweise ein Infekt oder eine Schwangerschaft.
Stabile Erkrankung ist Voraussetzung
Nach Vorgaben der IATA* soll niemand mit ansteckender Krankheit oder Fieber an Bord. Ein kranker Fluggast muss so weit stabil sein, dass aller Voraussicht nach auf der Reise keine Komplikationen drohen und die Sicherheit des Passagiers während des gesamten Flugs gewährleistet werden kann.
Für Patienten mit Atemwegserkrankungen gilt: viel trinken und Schleimlöser großzügig anwenden. Es sollte kein fortwährender Hustendrang bestehen. Gegebenfalls gehören Antitussiva – wie im Übrigen auch andere notwendige Medikamente – ins Handgepäck. Der arterielle Sauerstoffdruck des Patienten sollte mindestens 70 mmHg betragen, die Vitalkapazität bei chronischen Erkrankungen ca. 3 l, die FEV1 ca. 70 %. Dann braucht man für den Patienten keinen zusätzlichen Sauerstoff in der Kabine, so Dr. Nowak.
Eine Herzinsuffizienz muss kompensiert, eine Angina pectoris medikamentös stabilisiert sein. Als Grenze für die Mitnahme an Bord nannte der Kollege das NYHA-Stadium IIIII. Bei zyanotischen Herzfehlern, pulmonalem Hochdruck oder symptomatischem Low-Output-Failure empfiehlt sich die Rücksprache mit der Fluggesellschaft, um die Reise sorgsam planen zu können. „Diese Patienten brauchen dann möglicherweise tatsächlich Sauerstoff an Bord und eventuell eine qualifizierte Begleitung.“
Die Fristen, denen zufolge man nach Interventionen oder akuten kardialen Ereignissen wieder in eine Verkehrsmaschine kann, sind inzwischen sehr kurz. Patienten nach unkompliziert verlaufener Angiografie müssen mitunter lediglich 24 Stunden warten. Eine Schrittmacherimplantation erfordert oft nur zwei Tage Karenz, nach Ablation sind es gleichfalls mindestens zwei, besser aber fünf bis sieben Tage. Patienten mit einem Myokardinfarkt müssen acht bis zehn Tage vergehen lassen, ebenso solche mit einer Herzoperation, sie brauchen zudem eine ärztliche Begleitung.
Patienten mit frischer Phlebothrombose dürfen wieder in die Luft, wenn sie keine Lungenbeteiligung haben und bei stabiler Erkrankung ausreichend antikoaguliert sind. Üblicherweise erreichen sie das nach fünf bis sieben Tagen. Im Fall einer Lungenembolie sollte der Thrombus unter Antikoagulation möglichst gelöst sein.
Nach Lungenembolie sollte ein Arzt mitfliegen
„Denn mit dem Absinken des Sauerstoffpartialdrucks wird die Belastung des rechten Herzens im Allgemeinen immer größer,“ erklärte der Flugmediziner. Und bei einer Behinderung der pulmonalen Ausflussbahn kann es rasch zu einem gesteigerten Druck im rechten Ventrikel mit der Folge eines irreversiblen Herzstillstands kommen. Generell muss nach Lungenembolien ein Arzt mit an Bord und die Patienten benötigen Sauerstoff in der Luft.
Für Menschen, die auf eine Dialyse angewiesen sind, empfiehlt es sich, die Flugreise am dialysefreien Tag zu planen, im Idealfall mit Rollstuhlservice am Airport. „Die letzte Dialyse fährt man am besten mit niedrigerem Gewicht als üblich, dann ist man auf der sicheren Seite“, so die Erfahrung des Experten. Nach Absprache mit der Fluggesellschaft kann das medizinische Gepäck kostenfrei mitreisen, so sein Tipp. Geht es in die Feriendialyse, sollten die notwendigen Papiere und Impfdokumente im Handgepäck bereitliegen.
Häufiges Thema im Zusammenhang mit Flugreisen: die Anämie. Ein weitgehend unproblematischer Transport ist laut Dr. Nowak bis zu einem Hämoglobinwert von 9 g/dl möglich. Menschen mit Hämoglobinbildungsstörungen, chronischen Nierenerkrankungen oder chronischer Hämolyse können auch bei niedrigeren Werten fliegen. In jedem Fall muss man den Gesamtstatus des Patienten mit Alter, Herzgesundheit und eventuellen Lungenerkrankungen berücksichtigen.
Nach Operationen im Bauchraum gilt es zu bedenken, dass sich das gefangene Gasvolumen beim Fliegen um etwa 30 % ausdehnt, was zu Schmerzen im Operationsbereich, zu Nahtdehiszenz oder postoperativem Fieber führen kann. Der Patient sollte also zumindest eine Woche warten, bevor er ins Flugzeug steigt, so Dr. Nowak. Dann dürfte alles fest sein, keine Nachblutung auftreten und die Reise komplikationsfrei verlaufen.
Viel entspannter geht man heute mit Patienten nach Pneumothorax um. Bei entfalteter Lunge sind durch die Druckänderung während eines Langstreckenflugs keine Schwierigkeiten zu erwarten. Beim Spontanpneumothorax ist das in der Regel nach ca. sieben, beim traumatischen Pneumothorax nach 10–14 Tagen der Fall. Im Zweifel sollte man bei der Fluggesellschaft nachfragen, um die Reise abzustimmen.
Kongressbericht: 129. Kongress der DGIM