LGBT und Medizin Wie gut ist die Versorgung von LGBT-Personen im Alltag?

Autor: Dr. Susanne Meinrenken/Dr. Susanne Gallus

Angehörige der LGBT-Gemeinschaft nehmen medizinisch gesehen manchmal eine Sonderstellung ein. Sie müssen oft mit Vorurteilen und Benachteiligung kämpfen. Wie steht es um ihre Versorgung? Angehörige der LGBT-Gemeinschaft nehmen medizinisch gesehen manchmal eine Sonderstellung ein. Sie müssen oft mit Vorurteilen und Benachteiligung kämpfen. Wie steht es um ihre Versorgung? © Rawf8 - stock.adobe.com

Die erste europäische Studie zu LGBT-Versorgung im Gesundheitswesen hat deutliche Lücken aufgezeigt. Besonders ältere Medizinerinnen und Mediziner tun sich schwer, während Jüngere besser vorbereitet sind. Eine Erkenntnis: Vorurteile schwinden, doch fehlendes Wissen bleibt eine Hürde.

In Griechenland wird bereits in der medizinischen Aus- und Weiterbildung ein Fokus auf die LGBT-Community und ihre speziellen Ansprüche an das Gesundheitswesen gelegt. Welche Einstellungen und welches Wissen bringen die derzeit tätigen Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf die Behandlung von Angehörigen der LGBT-Gemeinschaft mit? Dieser Frage ging ein Team um Dr. Aikaterini Tsentemeidou, Aristoteles Universität in Thessaloniki, im Rahmen der ersten europäischen Erhebung zu diesem Thema nach. Sie verschickten Fragebögen an 200 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sowie Fachärztinnen und -ärzte aus Dermatologie und Venerologie. Die Befragten sollten gemäß der LGBT-Development of Clinical Skills Scale (DOCSS) verschiedenen Aussagen zustimmen bzw. nicht zustimmen zu:

  • Kompetenz und medizinischem Wissen zum Umgang bzw. der Versorgung
  • Moralvorstellungen und persönlicher Einstellung gegenüber Vorurteilen, z. B. bezüglich des Lebensstils oder der Diskretion über die sexuelle Orientierung
  • Grundlagenwissen, u. a. über institutionelle Barrieren im Gesundheitswesen oder höhere Inzidenzen bei verschiedenen Erkrankungen (psychisch und physisch)

Es antworteten 74 Teilnehmende in einem Durchschnittsalter von 46,2 Jahren. Zwei Drittel waren Frauen. Mehr als 90 % gaben an, heterosexuell zu sein, fast die Hälfte war jünger als 45 Jahre alt.

In Bezug auf ihre Ausbildung fühlten sich die Teilnehmenden mäßig gut vorbereitet. Dabei zeigte sich hinsichtlich der klinischen Ausbildung ein deutlicher Unterschied zwischen den Altersgruppen ≥ 45 und < 45 Jahren, die jüngeren fühlten sich deutlich besser vorbereitet. Die medizinische Erfahrung war über die Altersgruppen hinweg gleich. Auch über die Probleme der LGBT-Zugehörigen wussten die Befragten einigermaßen Bescheid. Vorurteile gegenüber der Community waren zwar vorhanden, aber relativ limitiert, wie die Studienautoren schreiben.

Konservativere Moralvorstellungen vor allem bei Älteren

Die Teilnehmenden waren sich der institutionellen Barrieren für Angehörige dieser Gruppe bewusst, nichtsdestotrotz herrsche weiterhin ein gewisser Grad an Misinformation bzw. Ignoranz gegenüber LGBT-Personen, resümieren sie. Bei der Betrachtung einzelner Fragen äußerten sich insbesondere die Älteren bezüglich ihrer Moralvorstellungen konservativer. Außerdem zeigten sie weniger Verständnis dafür, dass LGBT-Personen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung benachteiligt werden.

Die Aussagekraft der Studie habe wegen der kleinen Teilnehmerzahl, der Beschränkung auf die LGBT-Community und der Selbstauskunft ihre Grenzen, so die Einschätzung des Autorenteams. Obwohl sie die Situation optimistisch sehen, betonen sie, dass bei Ärztinnen und Ärzten ein Ungleichgewicht zwischen der persönlichen Sensibilität hinsichtlich der Thematik und der klinischen Vorbereitung auf Behandlungssituationen vorliegen kann. Ihre Ergebnisse belegen die Bedeutung entsprechender Inhalte für die ärztliche Aus-/Weiterbildung. Zudem dürfe man ältere Kolleginnen und Kollegen nicht vergessen, denn auch diese können von  solchen Angeboten profitieren.

Quelle: Tsentemeidou A et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; doi: 10.1111/jdv.20393