Konzentration aufs Wesentliche Wie KI eine verständlichere Arzt-Patienten-Kommunikation unterstützen kann

Autor: Dr. Joachim Retzbach

Oft können Patientinnen und Patienten die Details eines Aufklärungsgesprächs schlecht behalten. Oft können Patientinnen und Patienten die Details eines Aufklärungsgesprächs schlecht behalten. © Pcess609 – stock.adobe.com

Aus der Praxis, aus dem Sinn? Oft können Patientinnen und Patienten die Details eines Aufklärungsgesprächs schlecht behalten. Schriftliche Informationen in „Leichter Sprache“ könnten hilfreich sein – und sind dank KI-Unterstützung schnell erstellt. Eine Expertin erklärt, worauf es zu achten gilt, wenn man Chatbots zur Vereinfachung medizinischer Texte verwenden möchte.

Frau Prof. Maaß, was genau versteht man unter „Leichter Sprache“ und warum ist sie in der Medizin wichtig?

Prof. Maaß: Leichte Sprache ist die am besten verständliche Variante des Deutschen. Sie eignet sich besonders für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen oder Kommunikationsbehinderungen. Diese Personen – aber nicht nur sie – sind im Alltag häufig mit Texten konfrontiert, die viel zu schwierig zu verstehen sind. Das kann im juristischen Bereich sein, bei Nachrichten und Bildungsinhalten oder eben in der Medizin. Gesundheit ist eines der großen Lebensthemen, eine fehlgeleitete Kommunikation kann daher schwerwiegende Folgen haben.

Wie formuliert man Informationen in Leichter Sprache?

Prof. Maaß: Dafür gibt es klare Regeln. Man darf etwa nur kurze Sätze ohne Nebensätze verwenden. Lange Wörter gilt es ebenso zu vermeiden wie Fachbegriffe und Abkürzungen. Neben der Leichten Sprache gibt es aber auch noch die Einfache Sprache. Diese basiert auf weniger strengen Regeln, daher können die Formulierungen und der Satzbau schon etwas komplizierter ausfallen. Die Einfache Sprache zielt auf Leserkreise mit geringeren Deutschkenntnissen, weniger ausgeprägter Lesefähigkeit oder einfach fachliche Laien.

An welchen Stellen im Arzt-Patienten-Kontakt ist der Einsatz von vereinfachter Sprache sinnvoll? 

Prof. Maaß: Oft geht es ja nicht nur darum, Informationen im Moment zu verstehen, sondern sie auch zu behalten. Vielleicht glaubt ein Patient seine Ärztin gut zu verstehen, wenn er im Behandlungszimmer sitzt – aber weiß er noch genau, was sie gesagt hat, wenn seine Frau zu Hause alles erzählt haben möchte? Eine schriftliche Zusammenfassung in Leichter oder Einfacher Sprache könnte da enorm hilfreich sein.

Sie haben vor Kurzem gesagt, dass der KI-Boom die Arbeit mit Leichter Sprache revolutioniert. Inwiefern?

Prof. Maaß: Tatsächlich gibt es schon seit einigen Jahren Tools, die Texte vereinfachen können. In den letzten beiden Jahren ist aber eine enorme Dynamik ins Feld gekommen und es stehen mittlerweile ganz unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung: Solche, in die man einen Ausgangstext eingibt und eine Version in Leichter oder Einfacher Sprache erhält. Und nun auch ­ChatGPT und andere Chatbots, denen man den Auftrag erteilen kann, einen Text in Leichte Sprache umzuschreiben. Insgesamt ist das Erstellen von vereinfacht formulierten Inhalten dadurch viel leichter geworden. Es gibt jedoch einige große „Abers“.

Welche sind das?

Prof. Maaß: Texte, die von kostenlosen Tools wie ChatGPT erstellt werden, folgen oft nicht präzise den Regeln für Leichte Sprache. Ihr Niveau entspricht eher der Einfachen Sprache oder ist noch komplexer. Aber das größere Problem ist, dass der Inhalt nicht immer korrekt ist. In einem aktuellen Forschungsprojekt haben wir gemeinsam mit der Apotheken Umschau untersucht, wie gut verschiedene Tools in Einfache Sprache übersetzen. Aus­gangs­texte waren Beiträge aus der Apotheken Umschau, für die bereits hochwertige, von Menschen erstellte Versionen in Einfacher Sprache vorlagen. Die mit ChatGPT übersetzten Texte enthielten durchschnittlich mehr als acht Fehler pro Artikel. Andere Tools waren besser, aber auch sie lagen inhaltlich häufig daneben. Deshalb müssen KI-generierte Texte unbedingt geprüft und nachbearbeitet werden.

Würden Sie sagen, der Einsatz von KI lohnt sich trotzdem – gerade für Menschen, die nicht darin geübt sind, Fachsprache in verständliche Formulierungen zu übersetzen?

Prof. Maaß: Auf jeden Fall erleichtert es die Sache. Ziel muss es sein, Informationen an das Auffassungsvermögen der Patientinnen und Patienten anzupassen und sie nicht zu überfordern. Sonst werden die Patientinnen und Patienten ihrerseits Chatbots und andere KI-Tools nutzen, um sich Befunde und Fachtexte „übersetzen“ zu lassen. Und dann hat man keinen Einfluss mehr darauf, was dabei entsteht.

Gibt es Grenzen dessen, was man in Leichter Sprache formulieren kann?

Prof. Maaß: Natürlich wird es schwierig, wenn man zum Beispiel genau darüber aufklären möchte, auf welchen Studien eine Aussage basiert, wie verlässlich diese Studien sind und welche Einschränkungen es dafür vielleicht gibt. Eine solche In­for­ma­tions­fülle und Wahrscheinlichkeitsaussagen können aber auch Menschen ohne Lern- oder Kommunikationsbehinderung oft nicht aufnehmen. Das Praktische an der Leichten Sprache ist, dass man sich damit automatisch auf das Wesentliche konzentriert und Hintergrundinformationen weglässt.

Kann die Sprache, die man an Patientinnen und Patienten richtet, auch zu leicht sein?

Prof. Maaß: Meiner Meinung nach sind gut gemachte Informationen in Leichter Sprache immer hilfreich, und sei es nur als Gedächtnisstütze. Allerdings wissen wir auch, dass Leichte Sprache manchmal schlecht akzeptiert wird. Das beobachtet man vor allem bei Menschen, die sich von der Annahme, sie könnten etwas vielleicht nicht verstehen, bedroht oder stigmatisiert fühlen. Ein Beispiel dafür sind Senioren und Seniorinnen mit beginnender Demenz. Durch ihre leichten bis mittleren kognitiven Einschränkungen sind sie eigentlich die perfekte Zielgruppe für Leichte Sprache, sie grenzen sich aber oft vehement von der vermuteten Unterstellung ab, geistig nicht mehr ganz fit zu sein. Dann können sie abwehrend und verärgert auf Texte in Leichter Sprache reagieren. Insofern ist es nicht immer trivial, den richtigen Ton zu finden.

Interview: Dr. Joachim Retzbach