Wo ist denn bloß die Appendix hin? Wie man eine Appendizitis in der Schwangerschaft erkennt

Viszeralmedizin 2024 Autor: Friederike Klein

Die Appendizitis ist die häufigste Ursache eines akuten Abdomens in der Schwangerschaft. Die Appendizitis ist die häufigste Ursache eines akuten Abdomens in der Schwangerschaft. © ztony1971 – stock.adobe.com

Ein entzündeter Wurmfortsatz in der Schwangerschaft kann die Wahrscheinlichkeit für Frühgeburten und andere Komplikationen erhöhen. Mit der Verlagerung der Appendix ändern sich auch die Symptome, was die Diagnose erschwert.

Die Appendizitis ist die häufigste Ursache eines akuten Abdomens in der Schwangerschaft und Grund für jede vierte nicht-geburtshilfliche Operation in der Schwangerschaft. Die Diagnose ist nicht immer einfach zu stellen, berichtete Dr. Johanna­ List­ vom Martin­ Luther­ Krankenhaus in Berlin­. Mit zunehmender Größe des Uterus verschiebt sich die Appendix immer weiter in Richtung Rippenbogen und kann im achten Monat darunter zu liegen kommen. Das führt zu einer atypischen Schmerzlokalisation und zu ungewöhnlichen Symptomen.

Atypische Symptome und ihre Bedeutung

Die klassische Abwehrspannung kann gänzlich fehlen. Eine pelvin liegende Appendix kann bei Entzündung Pollakis­urie, Dys­urie, Tenesmen und Diarrhö verursachen. Häufig wird ein dumpfer Druckschmerz beschrieben. „Untersuchen sie auch vaginal und rektal“, empfahl die Internistin und wies darauf hin, dass dies bei einer retrozökal liegenden entzündeten Appendix schmerzhaft ist.

Ein weiterer Hinweis auf eine Appendizitis kann das sogenannte Alder’s Sign sein. Für die Prüfung dieses Zeichens liegt die Patientin zunächst auf dem Rücken und man legt einen Finger auf den Punkt der höchsten Schmerzempfindung. Wenn die Patientin sich auf die Seite dreht und der Punkt des höchsten Schmerzes unter der Fingerkuppe bleibt, ist die Schmerzursache höchstwahrscheinlich extra­uterin und ein weiterer Hinweis auf einen entzündeten Wurmfortsatz.

Der Ultraschall hilft bei akutem Abdomen in der Schwangerschaft kaum, da sich sowohl im Ober- als auch im Unterbauch Artefakte zeigen, sagte Dr. List. Auch die Laborwerte haben wenig Aussagekraft, da in der Schwangerschaft eine physiologische Leukozytose (bis 16.000/µl) besteht. Der Blick auf das große Blutbild zeigt bei Appendizitis zwar eine Verschiebung im Verhältnis von Neutrophilen zu Lymphozyten (> 6,84) und von Thrombozyten zu Lymphozyten (> 121,78). Die Werte alleine sind aber keine Basis für die Diagnose, erst zusammen mit dem klinischen Bild erhärten sie den Verdacht auf eine Appendizitis als Ursache eines akuten Abdomens in der Schwangerschaft, sagte Dr. List. Ein Bilirubinwert > 1 mg/dl kann auf eine Perforation hinweisen. 

Bei hochgradigem Verdacht auf eine Appendizitis in der Gravidität ist eine MRT sinnvoll, sie sollte aber ohne Kontrastmittel erfolgen. Große Kohortenstudien weisen darauf hin, dass eine Gadolinium­exposition in der Schwangerschaft das Risiko für rheumatologische Erkrankungen und entzündliche Hauterkrankungen beim Kind erhöht. Wenn im MRT ohne Kontrastmittel in der T1-Gewichtung der Appendix weiß aufleuchtet (T1 Bright Appendix Sign), kann die Erkrankung mit recht hoher Sensitivität und Spezifität ausgeschlossen werden, erläuterte Dr. List. 

Ist der Sonografiebefund unklar und steht keine MRT zur Verfügung, sollte bei notwendiger Schnittbildgebung eine Computertomografie mit angepasstem Protokoll durchgeführt werden. „Sprechen Sie mit dem Radiologen“, betonte Dr. List und berichtete, man könne die fetale Strahlendosis auf 3 mGy gegenüber dem Standardprotokoll mit 20–40 mGy reduzieren.

Warum ist die Diagnose bei Schwangeren so schwierig?

Eine Appendizitis erhöht das Risiko für eine Frühgeburt, für intra­amniotische Infektionen und für intra­uterinen Tod, insbesondere bei perforierter Appendizitis, erklärte Prof. Dr. Andreas­ Krieg­ von den Kreiskliniken Herford-Bünde. Es gibt keine Daten, ob eine Therapie der unkomplizierten Wurmfortsatzentzündung mit Antibiotika erfolgen sollte. Drei retrospektive Studien zeigten bei einem chirurgischen Vorgehen mit Laparoskopie etwas weniger Sectiones sowie weniger stationäre Wiederaufnahmen und Sepsis­ereignisse als bei konservativem Vorgehen. Die Vorteile zugunsten der minimal­invasiven OP wurden als gering eingestuft. Es kam infolge des Eingriffs zu etwas mehr Frühgeburten und Schwangerschaftsverlusten, auch diese Effekte wurden als geringfügig bewertet. 

Die Fachgesellschaften SAGES*­ EAES**­ empfehlen bei wenig belastbarer Evidenz die operative Therapie der Appendizitis in der Schwangerschaft statt der konservativen. Dabei ist die laparoskopische der offenen Chirurgie vorzuziehen, solange der Fundus der Gebärmutter unterhalb des Nabels liegt. Bei einem Fundus oberhalb des Nabels oder nach der 20. Schwangerschaftswoche empfiehlt­ die EAES die OP nach Erfahrung und Präferenz des Chirurgen.

*    Society of American Gastrointestinal and Endoscopic­ Surgeons
**    European Association for Endoscopic Surgery

Quelle: Viszeralmedizin 2024