Wie sich Ärzte vor psychischer Überlastung im Arbeitsalltag schützen
Kaltlassen dürften diese Zahlen niemanden: Etwa jeder Fünfte, den Dr. Ahmad Bransi in der Oberberg Fachklinik Weserbergland in Extertal-Laßbruch behandelt, ist Arzt. Damit bilden seine Patienten den bundesweiten Durchschnitt gut ab: 15–20 % der Kollegen entwickeln während ihres Arbeitslebens eine psychischen Störung. Häufig handelt es sich dabei um Abhängigkeiten, meist stoffgebunden. Mehr als jeder Zehnte sei davon betroffen, berichtete der Psychiater. Längst wisse man um die hohe Suizidrate unter Ärzten, die zwei bis drei Mal über der der Allgemeinbevölkerung liegt. Dafür gebe es viele Ursachen, aber sicher spielen auch aktuelle Arbeitsbedingungen eine große Rolle, ist Dr. Bransi überzeugt.
Da wären zum einen Ökonomisierung und beschleunigte Arbeitsbedingungen. Beides beschneidet die Interaktion mit dem Patienten, womit ein wichtiges Erfolgserlebnis der gelungenen Behandlung als Resilienzfaktor reduziert wird. Zudem fühlen sich Ärzte mehr und mehr dadurch frustriert, dass sie zwar weiterhin die volle medizinische Verantwortung tragen. Gleichzeitig können sie die Prozesse aber immer weniger steuern und beeinflussen, sagte Dr. Bransi. Auch nehme die Gewaltbereitschaft von Patienten und deren Angehörigen gegenüber den Kollegen zu, weshalb in vielen Notaufnahmen bereits Sicherheitsdienste engagiert wurden.
Auch der Arbeitgeber kann viel bewirken
„Nicht zuletzt haben alle Ärztinnen und Ärzte genügend Leid in ihrem Berufsleben gesehen, das Ursache für posttraumatische Belastungssyndrome sein kann“, führte der Psychiater aus. Zwar sei es selbstverständlich, dass nach Einsätzen für Polizei und Feuerwehr ein Debriefing angeboten wird. Bei Ärzten scheint man aber immer noch davon auszugehen, dass sie Leid aushalten und damit umgehen können, sagte der Kollege. Dem nicht genug, kommen weitere bekannte Faktoren hinzu, zum Beispiel lange, oftmals ungeregelte Arbeitszeiten, Schichtdienste, Zeitdruck und ein Übermaß an Bürokratie. Zusätzlich belasten mangelnde Anerkennung, hohe Erwartungen von Patienten oder die Angst vor Behandlungsfehlern – einschließlich ihrer juristischen Folgen.
Der schwierige Patient
- Beziehen Sie Gratifikation aus der Arzt-Patient-Beziehung und der medizinischen Leistung.
- Planen Sie bewusst Freizeitaktivitäten, wie Sport oder Kultur.
- Bauen Sie ritualisierte Pausen ein. Diese nehmen Druck von verschiedenen Entscheidungen.
- Pflegen Sie ein Netzwerk und tauschen Sie sich mit Kollegen aus – das gibt Sicherheit und Rückhalt.
- Reagieren Sie auf fehlende Kompetenzen, Komplikationen oder Behandlungsfehler, indem sie Kollegen anrufen, (informelle) Informationen einholen oder das Problem in Qualitätszirkeln thematisieren.
- Vernachlässigen sie weder Familie noch Freunde. Beides bringt einen Fokuswechsel und erdet.
- Nehmen Sie sich bewusst und regelmäßig Zeit zur Selbstreflexion.
- Setzen Sie sich klare Grenzen, auch in der Arzt-Patient-Beziehung („Abgrenzen ist besser als enttäuschen.“).
- Bilden Sie sich für eine professionelle Leistungsfähigkeit weiter.
Quelle: DGPPN* Kongress 2019
* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde