
Tropische Viren auf dem Vormarsch Wie sich Arbovirosen ausbreiten und die Gesundheit Reisender gefährden

Zu den Gesundheitsgefahren einer Reisenach Mittel- und Südamerikaoder in die Karibik zählen unter anderem eine ganze Reihe an Arbovirosen. Diese viralen Infektionserkrankungenwerden von Gliederfüßlern wie Mücken, Gnitzen oder Zecken übertragen. Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg gab einen Überblick.
Denguefieber
Die vier Serotypen des Denguevirus sind unabhängig voneinander in Westafrika und in Südostasien entstanden. Dabei hat sich ein urbaner Vermehrungszyklus herausgebildet. Infizierte Patientinnen und Patienten sollte man zum konsequenten Schutz vor Mückenstichen anhalten, erläuterte der Virologe. Damit könne man die Initiierung eines neuen urbanen Zyklus womöglich in Südwestdeutschland verhindern, wo mit der Asiatischen Tigermücke bereits ein passender Vektor heimisch ist.
Kürzlich veröffentlichte Daten aus Indien1 zeigen, dass primäre und sekundäre Denguevirusinfektionen in nahezu gleichem Maß zu schweren Krankheitsverläufen führen können. „Die Erstinfektion ist also nicht immer mild und zu vernachlässigen, sondern sie kann sehr schwer und zum Teil auch tödlich verlaufen“, machte der Referent die Bedeutung dieses Sachverhalts deutlich.
Bei Reiserückkehrern mit Verdacht auf Denguefieber sollten in der Akutdiagnostik immer drei Laborparameter erfasst werden:
- das NS1-Protein*
- IgM-Antikörper
- IgG-Antikörper
Für Reisende aus Deutschland stehen derzeit zwei Impfstoffe zur Verfügung.
Chikungunyafieber
Wie Dengue ist das Chikungunyafieber mittlerweile weit in den Tropen und Subtropen Mittel- und Südamerikas verbreitet. „Insbesondere in Paraguay und Brasilien hat das Virus in den vergangenen zwei Jahren regelrecht gewütet“, so Prof. Schmidt-Chanasit.Zudem kommt es zu immer mehr autochthonen Fällen auch in Europa. Gefürchtet sind die Explosivausbrüche in den Endemiegebieten sowie die Arthralgien, die den Betroffenen mitunter jahrelang zu schaffen machen. Wie bei Dengue ist auch hier nur eine symptomatische Behandlung mit NSAR, Physio- und Ergotherapie sowie psychologischer Unterstützung möglich.
Im vergangenen Jahr wurde mit einem Totimpfstoff eine weitere Vakzine gegen das Chikungunyavirus zugelassen, die insbesondere für Risikogruppen von Bedeutung ist. Eine STIKO-Empfehlung hierzu wird in Kürze kommen, stellte Prof. Schmidt-Chanasit in Aussicht.
Mayarovirus
Mittlerweile wird das Mayarofieber auch durch die Gelbfiebermücke und die Asiatische Tigermücke (Aedes aegypti bzw. Ae. albopictus) in einem urbanen Zyklus übertragen. In den letzten Jahren hat sich das Virus demnach stetig vom Amazonasgebiet in die Siedlungen und Städte der Karibik sowie nach Mittelamerika verbreitet. Der Erreger gilt inzwischen als potenzielles Epidemievirus für diese Region, so Prof. Schmidt-Chanasit. Theoretisch könnte Mayaro auch in europäische Regionen importiert werden, in denen die Asiatische Tigermücke bereits heimisch geworden ist.
Der Erreger ist eng mit dem Chikungunyavirus verwandt und kann ebenso wie dieses zu langanhaltenden Polyarthralgien führen. Der Nachweis gelingt nur serologisch, einen Antigentest wie über das NS1-Protein bei Dengue gibt es nicht.
Oropouchevirus
Seit Dezember 2023 wurden in der Karibik und in Südamerika mehr als 10.200 Infektionen mit dem Oropouchevirus registiert, insbesondere in Brasilien, Peru, Bolivien und Kolumbien. In Europa gab es einige importierte Fälle, hauptsächlich bei Reiserückkehrern aus Kuba. Im Unterschied zu den anderen Arboviren wird dieser Erreger nicht durch Stechmücken übertragen, sondern über die viel kleineren Gnitzen. Die blutsaugenden Gnitzenweibchen bevorzugen beim Menschen Hautbereiche an den Rändern von Kleidungsstücken, wobei die Stiche sehr schmerzhaft sein können. Es bilden sich Quaddeln, gefolgt von Fieber, Muskelschmerzen und Hautausschlägen. Allergische Reaktionen sind möglich. In seltenen Fällen ist es zu tödlichen Verläufen und pränatalen Infektionen gekommen.
Europaweit wurden bislang 19 Oropouchevirusinfektionen verzeichnet. Das Risiko für Reisende aus Europa stuft das ECDC** als moderat ein. Ein ernstzunehmendes Risiko, dass Oropouche zu uns kommen könnte, sieht Prof. Schmidt-Chanasit derzeit nicht. Allerdings wisse man noch sehr wenig über die Vektorkompetenz der hiesigen Gnitzen für das Virus.
* nonstructural protein 1
** European Centre for Disease Prevention
Quellen:
- Aggarwar C et al. Nat Med 2024; DOI: 10.1038/s41591-024-02798-x
- Kongressbericht - 26. Forum Reisen und Gesundheit