State of the Art bei AMD-Therapien Wie sich die altersabhänge Makuladegeneration zumindest bremsen lässt
Für die altersabhängige Makuladegeneration gibt es bis dato keine Heilung. Die Progression lässt sich jedoch abhängig von Stadium und Verlaufsform bremsen. Die beste Chance, zentrale Blindheit zu vermeiden, bietet sich aktuell bei feuchter Makuladegeneration.
Weltweit leiden etwa 196 Millionen Menschen unter einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). Bis zum Jahr 2040 wird die Prävalenz vermutlich auf 288 Millionen steigen. „Etwa jeder Zehnte über 50-Jährige ist von einer AMD betroffen, erklärte Prof. Dr. Sandra Liakopoulos, die an den Universitätskliniken Köln und Frankfurt/Main arbeitet.
Die Pathogenese der Krankheit ist multifaktoriell, es gibt verschiedene Risikofaktoren. Die Genetik spielt in ca. 70 % der Fälle eine Rolle, Rauchen und höheres Alter steigern die Gefahr ebenfalls. Ob Sonnenexposition die Entwicklung fördert, ist umstritten.
Zugelassene Therapien für die AMD-Frühformen hat man bisher nicht. Um ein Fortschreiten der Netzhautveränderungen zu verhindern, sollten Betroffene mit dem Rauchen aufhören und sich ausgewogen mediterran ernähren. Wie die ARED-2-Studie zeigte, können Nahrungsergänzungsmittel die Entwicklung einer intermediären AMD hin zu einer Spätform verzögern. Eingesetzt wurde eine Formulierung mit Vitamin C und E, Lutein/Zeaxanthin und Zink. Dieser Effekt galt allerdings fast nur bei Patientinnen und Patienten mit einem ungünstigen Ernährungsverhalten.
Ein neuer Ansatz bei intermediärer AMD mit Drusen und/oder nicht-zentraler geografischer Atrophie könnte die Photobiomodulation sein. Mit Licht von 500–1.000 nm sollen Komponenten der mitochondrialen Atmungskette stimuliert werden, um die Stoffwechselfunktion zu stabilisieren und einen Zellschutz zu erreichen. In der randomisierten und Sham-kontrollierten LIGHTSITE-III-Studie erhielten 100 Patientinnen und Patienten innerhalb von zwei Jahren jeweils in einem Zeitraum von 3–5 Wochen sechs Behandlungsserien à neun Bestrahlungen. Bei der Zwischenanalyse nach 13 Monaten zeigten die per Photobiomodulation therapierten Augen einen signifikant besseren Visus als die scheinbehandelten. Auch die Neubildung geografischer Atrophien war deutlich reduziert. Allerdings ist die Studie aufgrund zahlreicher Designfehler umstritten, das Verfahren kann daher noch nicht empfohlen werden. „Man braucht mehr Daten“, sagte Prof. Liakopoulis.
Vom Normalbefund zur AMD-Spätform
Die Stadieneinteilung der altersabhängigen Makuladegeneration erfolgt zumeist nach der Beckmann-Klassifikation von 2013. In Augen ohne Altersveränderungen sind weder Drusen noch AMD-typische Pigmentveränderungen vorhanden. Der normale Alterungsprozess ist durch kleine Drusen < 63 Mikrometer gekennzeichnet. De- bzw. Hyperpigmentierungen fehlen. Bei der frühen AMD gibt es intermediäre Drusen (> 63 bis < 125 Mikrometer), aber ebenfalls noch keine Pigmentveränderungen. Bei der intermediären Form liegen große Drusen und/oder AMD-typische Pigmentveränderungen vor. Die Spätform wird durch Neovaskularisationen (feuchte AMD) oder eine geografische Atrophie (trockene AMD) charakterisiert.
Große Unterschiede gibt es, was die therapeutischen Möglichkeiten bei den Spätformen der AMD angeht. Für die trockene AMD (geografische Atrophie, GA), die in Deutschland bis zu 550.000 Menschen betrifft, ist bislang keine Behandlung zugelassen. Mediterrane Ernährung soll die Zunahme der Veränderungen um bis zu 15 % reduzieren. Für Antioxidanzien einschließlich Lutein/Zeaxanthin ist beschrieben, dass sie die Progression der extrafovealen GA in Richtung Fovea signifikant verlangsamen. Prospektive Daten dazu fehlen allerdings.
Progressionsgefahr abschätzen
Wie rasch sich im Einzelfall eine AMD-Spätform mit Verlust der zentralen Sehschärfe entwickeln wird, lässt sich anhand der vereinfachten AREDS-Schweregradskala abschätzen1. Diese wurde im Oktober 2024 modifiziert. Neu ist, dass der Faktor subretinale drusenoide Ablagerungen (retikuläre Pseudodrusen) berücksichtigt und die nicht-zentrale geografische Atrophie als Merkmal der späten AMD definiert wird.
Für das Vorhandensein großer Drusen sowie von Pigmentveränderungen geht jeweils ein Punkt pro Auge in die Risikoberechnung ein. Sind keine großen Drusen, aber in beiden Augen intermediäre Drusen nachweisbar, wird ebenfalls ein Punkt berücksichtigt. Maximal sind also vier Punkte erreichbar. Das Risiko, innerhalb von fünf Jahren eine AMD-Spätform zu entwickeln, liegt für Patientinnen und Patienten mit einem Gesamtscore von 0, 1, 2, 3 bzw. 4 Punkten bei etwa 0,3 %, 4 %, 12 %, 27 % bzw. 50 %, sofern keine retikulären Pseudodrusen vorliegen. Sind dagegen Pseudodrusen nachweisbar, steigt das Risiko erheblich auf etwa 3 %, 8 %, 29 %, 59 % und 72 % an.
In den USA werden seit 2023 Betroffene mit den Komplementinhibitoren Pegcetacoplan oder Avacincaptad Pegol behandelt. Die Therapie mit diesen Substanzen konnte die Progression der GA zwar signifikant um 20–30 % verlangsamen, dennoch resultierte im Vergleich zu einer Sham-Behandlung kein besserer Visus. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat u. a. deshalb die Zulassungsanträge der Hersteller negativ beschieden. Daraufhin zogen diese ihre Anträge zurück. Erforscht werden aktuell weitere Komplementinhibitoren, Neuroprotektiva, Sehzyklusmodulatoren, Stammzell- und Gentherapien sowie subretinale Implantate.
Die feuchte Makuladegeneration mit Neovaskularisationen lässt sich seit vielen Jahren mit wiederholt verabreichten intravitralen Injektionen von VEGF-Inhibitoren behandeln. Die vorhandenen Wirkstoffe unterscheiden sich u. a. in ihrem strukturellen Aufbau, den Zielmolekülen und ihrer Wirkdauer. Seit ihrer Einführung sank die Inzidenz von Erblindungen bei Menschen mit AMD ab 50 Jahren um 50–70 %. In nächster Zeit ist eine große Zahl zugelassener Biosimilars zu erwarten, was sich positiv auf die Kosten der Therapie auswirken dürfte, so Prof. Liakopoulos. Forschungsansätze zielen derzeit u. a. auf die Gentherapie und den Einsatz von Tyrosinkinase-Inhibitoren bei feuchter AMD.
* Age-related Eye Disease Study
Quelle: Agrón E et al. Ophthalmology 2024, 131: 1164-1174; DOI: 10.1016/j.ophtha.2024.04.011