Notfall Anaphylaxie Worauf es in der Praxis ankommt

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Wer schon einmal eine Anaphylaxie erlitten hat, sollte immer seinen Adrenalinpen dabei haben. Wer schon einmal eine Anaphylaxie erlitten hat, sollte immer seinen Adrenalinpen dabei haben. © oldmn – stock.adobe.com

Bei einer anaphylaktischen Reaktion besteht die Kunst darin, die sehr variable Symptomatik rasch zu erkennen und Betroffene stadiengerecht zu behandeln. Auf keinen Fall darf Adrenalin im Schrank fehlen. 

Die weitaus meisten Patientinnen und Patienten mit Anaphylaxie (90 %) leiden an einer Hautmanifestation, die sich mit Pruritus, Flush, Urtikaria und Angioödem bemerkbar macht. Die Erscheinungen können sich aber bis zur Vorstellung in der Praxis bereits zurückgebildet haben, weshalb man immer danach fragen muss. Außerdem können schwere Reaktionen auch ohne (vorherige) Urtikaria auftreten, warnt Dr. Agnes Kögler von der Kinder- und Jugendheilkunde am Kardinal Schwarzenberg Klinikum Schwarzach im Pongau.

Anaphylaxie kann sich auch abdominell manifestieren

Von einer abdominellen Beteiligung zeugen Übelkeit, Bauchkrämpfe, Vomitus und Defäkation. Kinder mit einer nahrungsmittelbedingten Anaphylaxie entwickeln häufig nur leichte Mundsymptome oder eine periorale Rötung in Verbindung mit Erbrechen.

Von Seiten des Respirationstrakts aus beobachtet man in vielen Fällen Rhinorrhö und Heiserkeit bis hin zum Larynxödem. Die unteren Atemwege reagieren mit einem Bronchospasmus und Tachydyspnoe, auch Zyanose und Apnoe sind möglich. Kardiovaskulär reicht das Spektrum von Tachykardie und Hypotonie bis zum Herzstillstand.

Das wichtigste Medikament zur Behandlung bei Anaphylaxie ist Adrenalin (Epinephrin). Es sollte bei nicht-reanimationspflichtigen Patientinnen und Patienten umgehend in die äußere Oberschenkelmuskulatur (M. vastus lateralis) injiziert werden. Bei primär fehlender oder zu geringer Wirkung kann das Medikament alle fünf bis zehn Minuten verabreicht werden. Die i. v.-Gabe bleibt außerhalb der Reanimationssituation dem Krankenhaus vorbehalten, betont die Autorin.

Eine Sauerstoffgabe sollte frühzeitig und immer über eine Atemmaske mit Reservoirbeutel erfolgen. Empfohlen wird 100 % Sauerstoff mit hohem Flow bei kardiovaskulärer und/oder pulmonaler Symptomatik. Im Fall einer bronchialen Obstruktion ist die zusätzliche Inhalation von Betamimetika (z. B. Salbutamol) in ausreichender Dosierung angezeigt. Für Kinder rät die Autorin zu einer Anwendung über einen Spacer (ggf. mit altersgerechter Maske). Zusätzlich zur Adrenalingabe wird eine Flüssigkeitssubstitution mit Vollelektrolytlösung bis zur hämodynamischen Stabilisierung empfohlen. 

Auch Antihistaminika und Glukokortikoide haben in der Anaphylaxiebehandlung einen festen Platz. Die Applikation sollte wegen des langsamen Wirkeintritts aber erst nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und eventuell lebensrettenden Sofortmaßnahmen (Adrenalin, Sauerstoff, Volumenersatz) erfolgen. Vor Therapiebeginn ist zu klären, ob die Allergenzufuhr unterbrochen werden kann, z. B. durch ein Stoppen der Infusion eines potenziell auslösenden Medikaments.

Bei unruhigen Kleinkindern verschlimmert eine Manipulation mit dem Mundspatel möglicherweise die Beschwerden. Deshalb rät die Autorin dazu, das Augenmerk auf die Klinik zu legen. Besonders wichtig sind Dyspnoezeichen wie Nasenflügeln, thorakale Einziehungen, ein verlängertes Exspirium mit begleitendem Giemen und/oder einem (biphasischen) Stridor. (Klein-)Kinder lässt man oft am besten auf dem Arm oder Schoß der Eltern, um zusätzliche Ängste und eine Verschlechterung der Symptome zu vermeiden.

Eine abrupte Lageänderung der Kranken wie Aufsetzen und Aufstehen ist zu vermeiden, ebenso körperliche Anstrengung (laufen etc.). Personen mit Atemnot können eine (halb)sitzende Position einnehmen.

Koliken kann man symptomatisch dämpfen

Bei einer reinen Hautbeteiligung werden die Betroffenen nur mit Antihistaminikum und Glukokortikoid behandelt. Auch die isolierte abdominelle Symptomatik erfordert keine i. m.-Adrenalingabe. Übelkeit, Brechreiz und abdominelle Koliken lassen sich symptomatisch z. B. mit Serotonin-Antagonisten, Metoclopramid oder Butylscopolamin lindern. Nach schweren anaphylaktischen Reaktionen und bei unklarer Ausprägung rät die Autorin zu einer stationären Aufnahme über 24 h zur Überwachung und zum Ausschluss eines protrahierten oder biphasischen Verlaufs (5–20 % der Fälle).

Quelle: Kögler A. internistische praxis 2024; 68: 189-198