Morbus Alzheimer Wundertherapie wird in ihre Schranken verwiesen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Die transkranielle Pulsstimulation (TPS) soll bahnbrechende Therapieerfolge bei Alzheimerpatienten erzielen. Die transkranielle Pulsstimulation (TPS) soll bahnbrechende Therapieerfolge bei Alzheimerpatienten erzielen. © LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com

Alzheimerpatienten und ihren Angehörigen wird seit einiger Zeit mit einem neuen Verfahren Hoffnung gemacht. Die transkranielle Pulsstimulation (TPS) soll bahnbrechende Therapieerfolge erzielen. Doch was ist von der in den Medien gepriesenen Methode zu halten, die die Patienten auch noch selbst zahlen müssen?

Ein Wirknachweis für die TPS bei Morbus Alzheimer wurde bislang nicht erbracht, so der Tenor einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN). Die u.a. von Wissenschaftlern der Universitätsklinik für Neurologie in Wien entwickelte Methode basiert auf der Anwendung von Ultraschall. Die direkt über den Schädelknochen mit einer Frequenz von 5 Hz verabreichten kurzen Pulse (30 Mikrosekunden) sollen das geschädigte Gehirn aktivieren – nicht invasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein.

Studiendaten zur TPS wurden seit 2019 publiziert. Vier der sechs Arbeiten beruhen auf einer Untersuchung derselben Kohorte aus 35 Patienten mit wahrscheinlicher Alzheimererkrankung, heißt es in der unter Federführung von Prof. Dr. Ulf Ziemann, Universität Tübingen, verfassten Stellungnahme. Diese wurden zwei bis vier Wochen lang mit TPS behandelt – in drei Sitzungen pro Woche mit jeweils 6.000 Pulsen. Die Stimulation erfolgte in individuell festgelegten Regionen des „Alzheimernetzwerks“ einschließlich des präfrontalen Kortex.

Kritik trotz interessanter Ergebnisse

Dabei konnten die Forscher positive Wirkungen auf die neurokognitive Funktion beobachten, die länger als drei Wochen anhielten. Allerdings kam es neben den günstigen Effekten auf Gedächtnis und verbale Funktion zu negativen Einflüssen auf visuokonstruktive Leistungen, betonen die Kollegen.

Trotz der interessanten Ergebnisse sieht die DGKN die neue Methode derzeit kritisch – aus verschiedenen Gründen. So gebe es bisher nur die eine unkontrollierte Pilotstudie. Ein Placeboeffekt kann folglich nicht ausgeschlossen werden. Zudem habe man die Patienten nur drei Monate nachbeobachtet, was bei der neurodegenerativen Alzheimererkrankung keinen Rückschluss auf einen dauerhaften Effekt erlaube. Die biologischen und neurophysio­logischen Einflüsse wurden bisher ebenfalls kaum untersucht. Und alle publizierten Arbeiten stammen von derselben Arbeitsgruppe.

Somit fehle momentan noch die heutzutage übliche Evidenz für eine Wirkung der neuen Methode. Eine Bewerbung als neue Therapieform für die Alzheimer-Erkrankung sei daher zu diesem Zeitpunkt nicht gerechtfertigt, stellt die DGKN klar. Zu fordern sind wie bei Medikamenten placebokontrollierte, randomisierte und verblindete Studien mit höherer Patientenzahl und längerem Follow-up.

Quelle:
Pressemitteilung – Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funk­tionelle Bildgebung