CUP-Syndrom Zielgerichtet herangehen
Derzeit ist noch unklar, ob Patient:innen, die an Krebs mit unbekanntem Primärtumor leiden, von molekularbasierten Therapien profitieren können. Dieses sogenannte CUP-Syndrom liegt in zwei bis vier Prozent aller Krebserkrankungen vor. Molekulare Analysen ergaben bereits eine hohe genetische Heterogenität mit unterschiedlichen Alterationen in TP53, KRAS, CDKN2A und SMAD4, für die zielgerichtete Behandlungsoptionen potenziell vorhanden wären. Forschende um Dr. Lino Möhrmann, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen in Dresden und Deutsches Krebsforschungszentrum in Heidelberg, legten nun eine umfangreiche Genomanalyse von 70 Personen mit CUP-Syndrom vor.
61 Teilnehmende erfüllten die Kriterien der ESMO-Leitlinien. Das mediane Alter der Erkrankten betrug 46 Jahre und 39 % waren männlich. Das mediane Follow-up lag bei 25,9 Monaten und das mediane OS bezifferten die Autor:innen mit 22,1 Monaten. 38 Patient:innen starben während der Beobachtungszeit. Eine Dokumentation über vorherige Behandlungen und die Tumorlast lag für 69 Personen vor. Median hatten die Betroffenen vor der Sammlung der Gewebeproben eine systemische Therapie erhalten.
Die Wissenschaftler:innen führten eine Gesamt-Exom- (WES 41/70, 59 %) oder Gesamt-Genom-Sequenzierung (WGS 29/70, 41 %) des Tumors und einer Kontroll(-Keimbahn)-DNA aus dem peripheren Blut durch. Bei 55 der 70 (79 %) Teilnehmenden fand auch eine RNA-Sequenzierung statt. Die Analysen brachten eine Vielzahl von Mutationen in mit Karzinomen assoziierten Genen wie TP53, MUC16 und KRAS zum Vorschein. Zwei Drittel (n = 46) wiesen Alterationen in Genen auf, die in mehr als 10 % aller Proben mutiert waren. Dies umfasste neun Gene: TP53, TTN, MUC16, ABCA13, COL6A3, KRAS, LRP1B, XIRP2 und CSMD3. Davon gelten fünf – TP53, MUC16, KRAS, LRP1B und CSMD3 – als hochrelevant im Zusammenhang mit der Entstehung von malignen Erkrankungen. Eine Mikrosatelliteninstabilität fand sich nicht.
56 von 70 (80 %) Patient:innen erhielten genombasierte zielgerichtete Therapieempfehlungen, die bei 20 (36 %) von ihnen auch umgesetzt wurden und zu einer deutlich verbesserten Kontrolle der Erkrankung im Vergleich zur vorherigen Behandlung führte. Ermittelt wurde das Verhältnis (PFSr) des progressionsfreien Überlebens nach der jetzt empfohlenen zielgerichteten Therapie (PFS2) zum progressionsfreien Überleben nach der vorherigen systemischen Behandlung (PFS1). Drei der 20 Erkrankten hatten unter der letzten systemischen Therapie vor der empfohlenen genombasierten Strategie keinen Progress erlebt, weshalb bei ihnen weder PFS1 noch PFSr bestimmt werden konnten. Die mittlere PFSr der übrigen 17 Personen betrug 3,6. 13 der 17 Betroffenen erzielten eine höhere PFS-Ratio als 1,3 – eine Grenze, mit der in vorherigen Studien ein klinischer Benefit definiert wurde, schreiben die Forschenden. Das mediane PFS1 (n = 17) bezifferten die Autor:innen mit 2,9 Monaten, das mediane PFS2 (n = 20) mit 7,8 Monaten. Ein Erkrankter starb, bei den übrigen war das PFS-definierende Ereignis ein Progress. Mit 18,3 Monaten vs. 34,8 Monate war das mediane OS der 36 Teilnehmenden, die nicht die empfohlene Therapie erhalten hatten, signifikant kürzer als bei den 20 Personen, die damit behandelt worden waren (p = 0,022).
Nach Ansicht der Autor:innen unterstreichen die Ergebnisse, wie notwendig und sinnvoll molekulare Analysen und zielgerichtete Therapien bei Betroffenen mit CUP-Syndrom sind. Selbst Patient:innen mit Tumoren in späten Stadien und solche mit mehreren vorangegangenen Behandlungen können profitieren.
Quelle: Möhrmann L et al. Nat Commun. 2022;13:4485; DOI: 10.1038/s41467-022-31866-4