Gelenkschmerz mit tierischer Ursache Zufallstreffer führten auf die richtige Spur
Die erste Krankengeschichte betrifft eine 88-jährige Frau aus Japan mit Demenz, die seit drei Wochen unter Fieber und Gelenkschmerzen litt. In einem lokalen Krankenhaus hatten die Kollegen aufgrund von Entzündungszeichen im Labor und Zeichen einer Polyarthritis auf eine systemische bakterielle Infektion getippt. Eine Behandlung mit Ceftriaxon für eine Woche brachte aber keine Besserung.
Dann ist es vielleicht eine nichtinfektiöse Gelenkentzündung, mutmaßten die Kollegen und überwiesen die Frau ans Universitätsklinikum in Fukushima, wie die dort tätigen Ärzte um Dr. Yohei Nakamoto berichten. Auch dort tappte man zunächst im Dunkeln. Neben den bekannten Arthritisherden in Schulter, Ellbogen, rechtem Mittelfinger und Sakroiliakalgelenk fiel ihnen aber noch eine 5 cm große Hautläsion am Ellenbogen auf. In der Kontrast-CT wurde darunter ein Abszess sichtbar, ebenso in drei weiteren Körperregionen. Eine Probe der eitrigen Flüssigkeit aus dem Ellbogenabszess konnte entnommen und untersucht werden, Bakterien fand man darin nicht.
Also zurück zur Anamnese, dachten sich die Kollegen – aber diesmal ganz systematisch. Die Verständigung mit der Patientin gestaltete sich aufgrund ihrer Demenz schwierig. Aber ihr Ehemann konnte Auskunft geben. Interessant wurde es bei der Frage nach Tierkontakten. Gelegentlich seien Ratten in der Küche aufgetaucht und eine davon habe seine Frau gebissen.
Heilung durch erneute Gabe von Ceftriaxon
Der Verdacht, der nun sofort aufkeimte, konnte mittels PCR aus dem Ellbogeneiter bestätigt werden: Es handelte sich um Rattenbissfieber, ausgelöst durch Streptobacillus moniliformis. Das zuvor abgesetzte Ceftriaxon wurde wieder angesetzt und sechs Wochen später hatte sich die Frau komplett erholt.
Im zweiten Fall berichteten Internisten um Dr. Michael Jones von der University of Colorado in Aurora von einer 59-jährigen Patientin mit ähnlichen Symptomen: zunehmende Schmerzen und Schwellungen in multiplen Gelenken und gelegentliches Fieber. Auch bei ihr erbrachte die mikroskopische Untersuchung aus der entzündlichen Synovialflüssigkeit des Knies keinen Befund. Serologien und Blutkulturen auf diverse Viren und Bakterien blieben negativ.
Da die Frau eine Autoimmunhepatitis in der Vergangenheit angegeben hatte, vermutete man eine autoimmune Arthritis, auch hierfür fand sich aber kein Anhalt. Erst am achten Tag tauchte in der anaeroben Kultur der Synovialflüssigkeit Streptobacillus moniliformis auf, damit stand die Diagnose Rattenbissfieber.
Auf Nachfrage fiel der Patientin ein, dass eines ihrer Haustiere, „eine besonders fiese Ratte“, sie in den rechten Mittelfinger gebissen hatte. Die abheilende Wunde war dort sogar noch erkennbar. Ceftriaxon und Drainage der entzündeten Gelenke brachten die Heilung.
Die Autoren der beiden Kasuistiken stimmen darin überein, dass die Diagnose dieser seltenen Erkrankung schwierig ist, wenn man keinen entsprechenden Verdacht hat. Der Erreger ist außerdem sehr wählerisch, was das Nährmedium angeht und lässt sich nur schwer anzüchten. Oft gelingt erst mit einer PCR der Nachweis. Ohne Behandlung liegt die Mortalität des Rattenbissfiebers bei 7 bis 13 %. Die Frage nach Tierkontakten sollte daher zur Routineanamnese dazugehören.
Quellen:
1. Nakamota Y et al. AIM Clinical Cases 2023; DOI: 10.7326/aimcc.2023.0344
2. Jones MK et al. AIM Clinical Cases 2023; DOI: 10.7326/aimcc.2023.0198