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Seltene Erreger Durch die Hintertür

Autor: Dr. Vera Seifert

Der Zwergfadenwurm ist 1–3 mm groß und kann zu Dünndarmulzera führen. Der Zwergfadenwurm ist 1–3 mm groß und kann zu Dünndarmulzera führen. © Sirikwan – stock.adobe.com
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Gehören Infektionen mit dem Zwergfadenwurm und solche mit den spiraligen Brachyspira-Bakterien zu den Geschlechtskrankheiten? Zumindest für Männer, die Sex mit Männern haben, muss diese Frage wohl mit ja beantwortet werden.

Der parasitär lebende Zwergfaden­wurm Strongyloides­ stercoralis­ ist vorwiegend in den wenig entwickelten Regionen Südostasiens, Afrikas und der Westpazifikregion heimisch. Dort befällt er vermutlich Hunderte Millionen Menschen. In Industrienationen ist er dagegen selten. Der Wurm gelangt über Hautvenen ins Blut, von dort in die Lunge. Ausgehustet und wieder verschluckt findet er seinen Weg in den Verdauungstrakt. Im Dünndarm vermehrt sich der Parasit und wird mit dem Kot ausgeschieden. Dann beginnt der Zyklus von Neuem, auch Autoinfektionen sind möglich. So weit der bisherige Stand des Wissens. 

Da Strongyloides-Infektionen vermehrt bei Männern auftreten, die Sex mit Männern haben (MSM), untersuchten Wissenschaftler aus Groß­britannien die Möglichkeit einer sexuellen Übertragung. Callum­ Chessell­ von der Brighton and Sussex Medical School und Kollegen fanden in einer Datenbankrecherche fünf Publikationen zum Thema. Die darin beschriebenen 22 Patienten lebten in verschiedenen Großstädten in Nord- und Südamerika sowie Europa.

Analsex ohne Kondom als Risikofaktor

Die Auswertung der Publikationen ergab, dass der Wurmbefall der Männer mit folgenden Faktoren einherging:

  • aktive HIV-Infektion
  • HIV-Infektion mit niedriger CD4-Zellzahl ohne Einnahme anti­retroviraler Substanzen
  • Geschlechtskrankheiten (Chlamydieninfektion, Gonorrhö, Lues) oder Hepatits C
  • mindestens eine Protozoen­infektion (Entamoeba histolytica, Giardia­ lamblia)
  • Reisen in Endemiegebiete
  • mehrere Sexualpartner aus Endemiegebieten
  • oral-analer Sex
  • Chemsex (Sex unter Drogeneinfluss)

In Ländern mit höherem Lebensstandard spielt bei der Infektion mit dem Zwergfadenwurm offenbar auch die sexuelle Übertragung eine Rolle, schreiben die Autoren. Sie empfehlen, bei MSM mit gastrointes­tinalen oder respiratorischen Symptomen im Zweifel auch Tests auf S. stercoralis­ durchzuführen.

Dieselbe Gruppe veröffentlichte zeitgleich auch die Daten einer identisch aufgebauten Arbeit zur Übertragung intestinaler Bakterien der Spezies Brachyspira­ pilosicoli­ und Brachyspira­ aalborgi­ bei MSM. Diesmal fanden sie 15 Publikationen mit insgesamt 188 Patienten.

Die Spirochäten heften sich an das Bürstenepithel der Darmmukosa und zerstören es allmählich. Hauptsymptom ist Diar­rhö. Die Risikofaktoren, die die Forscher identifizieren konnten, waren dieselben für die Infektion mit dem Zwergfadenwurm. Hinzu kamen zurückliegende Geschlechtskrankheiten, eine Koinfektion mit SARS-CoV-2 und Antibiotikabehandlungen. Beim Sexualverhalten­ der Männer fiel auf:

  • oral-analer und oral-genitaler Geschlechtsverkehr
  • Fisting (Einführen der Faust ins Rektum)
  • Analsex ohne Kondom
  • mehrere wechselnde Sexual­partner

Bei MSM, die unter Diarrhö, Bauchschmerzen, Flatulenz oder Tenesmen leiden, für die man keine andere Ursache findet, lohnt sich die Suche nach intestinalen Spirochäten mittels Biopsie und histologischer Untersuchung, lautet das Fazit von Chessell und seinen Kollegen. Ihr Appell: Sowohl für den Zwergfadenwurm als auch für Spirochäten sind weitere Untersuchungen notwendig, um die sexuelle Übertragung besser zu verstehen und geeignete Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können.

Quellen:
1. Chessell C et al. J Eur Acad Dermatol Venereol­ 2023; DOI: 10.1111/jdv.19664
2. Rabuszko L et al. J Eur Acad Dermatol Venereol­ 2023; DOI: 10.1111/jdv.19689