Alternde Gesellschaft ist auch für das Reich der Mitte eine Herausforderung

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

So soll's sein: Chinesische Senioren beim Tai Chi am frühen Morgen.
So soll's sein: Chinesische Senioren beim Tai Chi am frühen Morgen. © iStock.com/jacus

Das chinesische und das deutsche Gesundheits­system sind sehr verschieden. Eine große Aufgabe stellt sich jedoch in beiden Ländern gleichermaßen: eine alternde Gesellschaft mit immer mehr kranken Senioren.

Die Lebenserwartung im Land der aufgehenden Sonne beträgt zurzeit bei Männern 76,4 Jahre und bei Frauen 78,3 Jahre. In Deutschland sind es 81,1 bzw. 83,1 Jahre. Dr. Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, führt die Unterschiede zwischen den Ländern u.a. auf politische Interventionen in Deutschland wie Prävention, Pflegegesetze und Teilhabe alter Menschen am gesellschaftlichen Leben zurück. Dennoch sieht er hierzulande Verbesserungsbedarf, etwa in Form von „maßgeschneiderter Pflege“. Von China könne man auch lernen, z.B. was die Beziehung zwischen den Generationen betreffe.

2050 wird jeder dritte Chinese älter als 60 sein

Die Generationenbeziehungen ändern sich aber auch in China. Im Jahr 2050 wird nach Prognosen jeder dritte Einwohner älter als 60 Jahre sein. Yin Jun, Botschaftsrat der Volksrepublik, nannte diese Zahlen und sprach von einem „massiven Problem“. Vor Jahren habe die Geburtenkontrolle eine große Rolle gespielt; heute seien junge Menschen von sich aus nicht willens, mehrere Kinder zu bekommen. Das forciere die Alterung der Gesellschaft. Und die Sozialsysteme seien nicht darauf vorbereitet. Die staatliche finanzielle Unterstützung für Senioren sei z.B. nur ergänzend.

Gesundes China 2030

Das Programm „Gesundes China 2030“ wurde 2016 veröffentlicht. Angestrebt werden folgende Ziele:
  • China will bei den Hauptgesundheitsindizes zu den Ländern mit hohem Einkommen aufschließen.
  • Die durchschnittliche Lebenserwartung soll um zirka drei Jahre auf 79 Jahre steigen. 
  • Die Zahl der Menschen, die häufig Sport treiben, sollte sich laut Programm von 360 Mio. 2014 auf 530 Mio. erhöhen.
  • Es sollen vermehrt TCM-Heilmethoden ohne Einsatz von Medikamenten entwickelt werden und bei der Bekämpfung von häufigen oder chronischen Krankheiten verstärkt zum Einsatz kommen.

Quelle: China Internet Information Center

Als weiteres Problem schilderte der Botschaftsrat, dass Kinder zunehmend von zu Hause wegziehen und alte Menschen deshalb nicht mehr wie früher in der Familie betreut werden. Zugleich wagen Ältere erst langsam den Schritt in Heime oder Altenwohnmodelle (sofern diese überhaupt bestehen). Wie verschieden die Systeme sind, machten auch die Ausführungen von Dr. Christian Ohrloff, Präsident der DCGM, anhand von Behandlungsdimensionen deutlich. Er berichtete über das Tongji-Medical-Hospital. Dieses verfügt an drei Standorten über 7000 Betten (Zum Vergleich: Die Charité in Berlin hat 3000 Betten). Mehr als 10 000 Mitarbeiter, darunter knapp 2000 Ärzte und mehr als 4200 Pflegekräfte, sind hier beschäftigt. 2017 wurden mehr als 275.000 Patienten stationär versorgt. 2,3 Mio. Patienten werden pro Jahr ambulant behandelt. Mit diesem Versorgungsumfang belegt die Einrichtung im wissenschaftlichen und klinischen Bereich Platz neun in der Volksrepublik. Das Krankenhaus befindet sich in der Provinzhauptstadt Wuhan, in der zwölf Millionen Menschen leben.

Keine rein ärztliche Aufgabe, sondern auch eine politische

Professor Wang Wei, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses, erklärte, dass es neben den 286 Millionen Senioren über 60 Jahre auch 40 Millionen behinderte Menschen im Land gibt. Alle die sich daraus ergebenden Probleme in der Versorgung würden kritisch diskutiert. Das Thema sei jetzt auch in der Politik angekommen, so Prof. Wang. Früher sei dies nur als Aufgabe der Ärzteschaft angesehen worden.

Am besten ist, die Menschen werden erst gar nicht krank

Der Neurologe berichtete darüber, dass chronische Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie maligne Tumoren zu den häufigsten Todesursachen in China zählen. Er hob deshalb das Programm „Gesundes China 2030“ hervor (siehe Kasten), das u.a. mit einem präventiven Ansatz die Situation verbessern soll. „Wir müssen versuchen, dass die Menschen erst gar nicht krank werden, nur dann geht es ihnen wirklich gut.“ Es gebe inzwischen auch 30 nationale Schlüsselkrankenhäuser, die auf besondere Fachrichtungen spezialisiert seien. Die Geriatrie sei zudem im Wissenschaftsministerium als Schwerpunkt verankert.