Arznei aus dem Automaten
Nach Weingummis und Schokoriegeln sucht man in den Auslagen dieser Automaten vergeblich – und anrufen kann man von dort aus auch niemanden. Was in zahlreichen chinesischen Städten aus dem Boden sprießt wie Pilze sind sogenannte One-Minute-Clinics. Diese sollen als Teil des „Gesundheitsökosystems“ (so der Hersteller) Ärzte und Patienten entlasten.
Und das funktioniert so: Wer durch die Glastür eintritt und auf dem kleinen Stuhl im Inneren Platz nimmt, erhält eine individuelle Online-Beratung vom „KI-Arzt“, einem virtuellen Gesundheitsexperten. Der digitale Doc kennt die Symptome von mehr als 2000 Krankheiten und weiß Antwort auf Zehntausende Gesundheitsfragen, heißt es. Geduldig erfasst der Computer, wo es beim Besucher zwackt, und spuckt eine erste Diagnose aus.
Diese wird dann online an einen echten Arzt übermittelt und geprüft. Falls nötig, erhält der Patient ein Rezept. Das weist entweder den an die Box angedockten Arzneiautomaten an, das benötigte Präparat in die Ausgabe fallen zu lassen. Oder es veranlasst eine nahegelegene Apotheke dazu, das Medikament schnellstmöglich an den Patienten zu liefern.
Die Ausstattung der Arzneiautomaten kann an die jeweiligen Umgebungsbedingungen bzw. den Bedarf vor Ort angepasst werden. So bietet die Ein-Minuten-Klinik, die in einer großen Autofabrik in Shanghai steht, hauptsächlich Präparate zur Behandlung von Verletzungen, Prellungen und Quetschungen an. Wie praktisch!
Stünde eine solche Box im Frankfurter Bankenviertel, stelle ich mir vor, dass sie vor allem Methylphenidat, Amphetamine und Modafinil enthielte. Der Automat im Prenzlauer Berg wäre mit veganen Zuckerkügelchen und biologisch abbaubaren Kinderpflastern gespickt. Und auf der Hamburger Reeperbahn gäb’s Kondome, Elektrolytlösungen und Kopfschmerztabletten.
Kathrin Strobel
Redakteurin Medizin