Circus Krone in Dauervorstellung
Beim Brainstorming in der letzten Redaktionskonferenz hätte man eine Nadel fallen hören können. Worüber lohnt es sich, zu berichten? Was wäre einen Kommentar wert?
Das Thema, um das sich seit Monaten die ganze Welt dreht, kommt jedem von uns inzwischen zu den Ohren raus. Und wirklich viel Nennenswertes passiert dazu in der Forschung derzeit nun wirklich nicht. Noch immer werden Daten aus März und April ausgewertet, hier kommt eine Impfstoffstudie in der frühen Phase dazu, dort eine weitere Publikation zur Verbreitung von Aerosolen. Und doch: Es fällt schwer, aus dem Corona-Kreislauf auszubrechen. Zu lange schon haben wir uns mitgedreht.
Dass es anderen Redaktionen in Print- und Online-Medien ähnlich zu gehen scheint, wird offenbar, wenn man die derzeitige COVID-19-Berichterstattung betrachtet. Selbst noch so triviale Ergebnisse verkauft man als bahnbrechende Neuigkeiten. Zu Beginn des Textes wird der große Durchbruch angekündigt, was dann an Infos kommt, enttäuscht umso mehr. Doch die Klickzahlen bestätigen: Corona bleibt – Achtung, Wortspiel – viral. Auch die Leser scheinen gefangen zu sein in dieser Dauervorstellung des Circus Krone.
Dabei bin ich mir fast sicher, dass auch Sie gerne mal wieder einen Tag ohne das C-Wort verbringen würden. Wir alle haben genug – und wollen doch immer mehr. Es ist ein wenig wie in einer dysfunktionalen Partnerschaft: Miteinander ist es doof, ohne einander aber irgendwie auch. Man hat sich schließlich aneinander gewöhnt.
In der Redaktion machen wir uns tagtäglich Gedanken darüber, welche Themen für unsere Leser interessant und relevant sind. In Bezug auf SARS-CoV-2 fällt die Entscheidung oft nicht leicht. Jeden Tag werden neue Originalarbeiten publiziert, mitunter frühzeitig, noch vor dem Peer-Review. Medikamentenstudien in Phase 1, erste Versuche mit potenziellen Impfstoffkandidaten. Es tut sich viel. Doch was davon hält einer kritischen Prüfung stand? Welche Ergebnisse sind auch in einer Woche noch relevant?
Das lässt sich oft nicht sicher beantworten. Eines ist aber klar: „Hauptsache Corona“ kann nicht das Motto sein. Wenn es nichts Neues gibt, dann berichten wir auch nicht. Das gilt es, zu ertragen – genau wie das Schweigen in der Redaktionskonferenz.
Kathrin Strobel
Redakteurin Medizin