Datenmanagement Den Schatz der DMP-Daten endlich heben

Autor: Angela Monecke

Eine regelmäßige Berichterstellung zu allen DMP erfolgte in nur wenigen Regionen. Eine regelmäßige Berichterstellung zu allen DMP erfolgte in nur wenigen Regionen. © Miguel Aguirre – stock.adobe.com

Fast 5 Millionen Menschen sind heute im DMP für Typ-2-Diabetes eingeschrieben. Sowohl in diesem  Programm als auch in allen anderen Disease-Management-Programmen (DMP) werden u.a. medizinische Befunde aufwendig dokumentiert. Dennoch bleiben die DMP-Daten bislang weitgehend ungenutzt. Eine neue Arbeit verweist auf den dringenden Handlungsbedarf, diese Daten endlich genauer auszuwerten.

Etwa 8 Millionen Menschen nehmen hierzulande an mindestens einem Disease-Management-Programm teil. Geschätzte 280 Millionen Dokumentationen haben die teilnehmenden Praxen in den letzten acht Jahren angelegt. Bei der Nutzung dieser Daten gibt es derzeit substanzielle Defizite. Denn die Praxen haben häufig nur wenige Kenntnisse von ihren DMP-Ergebnissen und erfahren oft nicht, dass aktuelle Rückmeldungen hierzu für sie vorliegen, oder die zurückgemeldeten Informationen werden als unverständlich und als irrelevant für die eigene Arbeit empfunden.

Gesammelte Daten sinnvoll auswerten

Auf diese Defizite macht eine neue Arbeit mit dem Titel „Der ungehobene Schatz der DMP-Daten – was könnten wir daraus lernen?“ aufmerksam.1 Darin fordern die Autor*innen – Dr. Bernd Hagen und Dr. Sabine Groos, Fachbereich Evaluation und Qualitätssicherung, Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Köln, sowie Dr. Matthias Kaltheuner Diabetologe aus Leverkusen – gemeinsam mit der DDG, diese so aufwendig gesammelten DMP-Daten und weitere Informationen wesentlich intensiver für Auswertungszwecke zu nutzen

Eine lückenhafte Dokumentation ließ sich hier nicht nur auf bundesweiter Ebene erkennen, sondern auch regional, erklären die Verfasser*innen. So erfolge etwa in nur sehr wenigen deutschen Regionen eine regelmäßige Berichterstellung zu allen laufenden DMP.  Bis heute liege z.B. keine Darstellung der DMP-Ergebnisse hinsichtlich der vertraglich definierten Indikatoren der Versorgungsqualität vor. Die DMP-Dokumentation ist bundesweit einheitlich geregelt, ebenso deren Versorgungs- und Qualitätsziele. Eine Richtlinie des G-BA klärt die DMP-Anforderungen. So müssen etwa Ärzt*innen einige Parameter DMP-übergreifend, andere hingegen indikationsspezifisch in nur einem DMP dokumentieren. 

DMP-Feedback – wie läuft es bei Ihnen?

Bundesweit 88 Schwerpunktpraxen haben an einer Befragung zu den DMP-Feedback-Berichten teilgenommen.2 86 % der Praxen gaben an, dass sie einen Feedback-Bericht erhalten haben, 53 % lesen ihn regelmäßig oder unregelmäßig und in 74 % der Praxen werden Konsequenzen aus den Berichten gezogen. 41 % erklärten, die Feedback-Berichte in die Arbeit der Qualitätszirkel einzubringen.

Die Qualitätsziele sind deutschlandweit ebenfalls einheitlich geregelt. Deren Anzahl unterscheidet sich von DMP zu DMP. Aktuell sind im DMP Typ-2-Diabetes 18 Zielindikatoren definiert, beinahe alle (14) haben eine definierte Zielquote. Erreicht werden soll z.B. ein individuell vereinbarter HbA1c-Zielwert (≥ 60 %) und von maximal 8,5 % (≥ 90 %) oder ein Blutdruckwert unter 140/90 mmHg (≥ 45 %). Auch die Häufigkeit bestimmter Kontrolluntersuchungen wie eine jährliche Nierenkontrolle, eine Netzhautuntersuchung (jeweils ≥ 90 %) alle zwei Jahre bzw. die jährliche Bestimmung des Fußstatus (≥ 80 %) sind hier beschrieben. Bei den schulungsbezogenen Zielen werden hingegen nur möglichst hohe Quoten verlangt. 

Bundesweit fehlten auch stratifizierte Analysen, die zeigen, ob die  DMP-Qualitätsziele in den verschiedenen Patientengruppen erreicht wurden, so die Kritik.

Jede Kontrolle muss dokumentiert werden

Alle DMP-Praxen sind dazu verpflichtet, jede Untersuchung innerhalb des Programms zu dokumentieren. Dieses Vorgehen bildet auch die Basis für die extrabudgetäre Honorierung der erbrachten Leistungen. Die DMP-Dokumentationen übermitteln die Praxen regelmäßig elektronisch an die jeweilige DMP-Datenstelle, die prüft, ob alles formal richtig ist oder Korrekturen nötig sind. Fehlerfreie und fristgerecht übermittelte Dokumentationen werden pseudonymisiert und den KVen weitergegeben, damit sie eine Rückmeldung (Feedback) erstellen. 

Ob und in welcher Höhe diese Qualitätsindikatoren erreicht wurden, erfahren alle DMP-Praxen halbjährlich in den Rückmelde- oder Feedback-Berichten. Derzeit werden diese Berichte in 15 von 17 KV-Regionen mit einem von der KBV speziell entwickelten Programm, dem sog. Rückmeldesystem (RMS) erstellt. Zusätzlich erhalten Evaluations­institute, die von den teilnehmenden Kassen beauftragt wurden, die Daten für eine bundesweite, kassenübergreifende Evaluation der DMP nach festgelegten Kriterien, die das Bundesamt für Soziale Sicherung definiert hat. Empfohlen wird hier, die Ergebnisse der DMP-Evaluation grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen zu nutzen, etwa in Qualitätszirkeln. Gerade dort entwickelten sich nach Erfahrung der Autor*innen aus „trockenen“ Daten zum Teil lebhafte Diskussionen zu Diagnostik, Therapie und Zusammenarbeit. Auch in den Zirkeln böten die DMP-Daten eine gute Grundlage, um die Versorgungsqualität zu verbessern, heißt es weiter. Für die DMP verpflichtend sind zudem die Qualitätsberichte der Gemeinsamen Einrichtungen DMP (einzelne KV und Kassen bzw. ihre Verbände, z.T. auch Kranken­hausgesellschaften). 

Dringender Handlungsbedarf bei der Datennutzung

Es wird also schon seit über 20 Jahren viel Aufwand betrieben, um bundesweit einheitliche Daten in den DMP zu erheben, betonen die Verfasser*innen. Doch ausgewertet wurden sie nicht, was aber längst hätte passieren müssen, hieß es. Wie die DDG fordern sie, die aufwendig gesammelten DMP-Daten und -Informationen künftig intensiver zu nutzen. Die Verfügbarkeit der Daten zur sekundären Datenanalyse sei zudem gesetzlich vorgeschreiben. 

Auf Praxisebene bedeute dies, dass allen Praxen die Ergebnisse zur Versorgungsqualität der Patient* innen im DMP aktueller, verständlicher und in angemessen vergleichender Form berichtet werden müssen. Dazu zählen besonders die Ergebnisverteilung über alle Praxen hinweg sowie die Darstellung der zeitlichen Veränderung (Verbesserung/Verschlechterung). Hierzu müssten die bestehenden Feedback-Berichte um Informationen wie die sog. Interquartilbereiche der Qualitätszielquoten oder die zeitliche Veränderung der erreichten Quoten innerhalb der letzten Jahre erweitert werden. 

Was kam denn nun heraus? DMP-Ergebnisse veröffentlichen

Praxen sollten zudem ihre DMP-Ergebnisse öffentlich präsentieren können, z.B. auf Websites und mit Patienteninformationen. Auf der Ebene der DMP-Qualitätszirkel sollte eine regelmäßige Auseinandersetzung mit den erzielten DMP-Ergebnissen innerhalb des jeweiligen Landkreises oder der Kommune erfolgen. Die auf Kreis- oder Stadtebene aggregierten Ergebnisse sollten allen Qualitätszirkeln zugänglich sein. Denkbar wäre z.B. ein öffentlicher DMP-Atlas für jedes Bundesland.

Auf KV- oder Länderebene sollten die DMP-Ergebnisse eines Jahres regelmäßig berichtet und die Frage beantworten, wie sich die Versorgungsqualität der chronisch kranken Menschen entwickelt hat, die in den DMP betreut werden. Auch auf dieser Ebene müsste man die Schwankungsbreiten der Ergebnisse auf Praxisebene berücksichtigen. Zudem wäre es wünschenswert, wenn diese Berichte prinzipiell eine stratifizierte Darstellung der DMP-Ergebnisse aufweisen würden, erklären die Verfasser*innen. Nur so ließen sich Unterschiede zwischen den Betreuten wie ihr Alter, vorliegende Komorbiditäten oder die Art der ärztlichen Betreuung angemessen darstellen. So könnte man besonders vulnerable Gruppen identifizieren, aber auch jene mit einem ggf. geringeren Betreuungsbedarf. 

Anzustreben sei eine differenzierte Darstellung der DMP-Ergebnisse für alle laufenden Programme regelmäßig auch auf Bundesebene sowie deren Integration in die nationale Diabetes-Surveillance des Robert Koch-Instituts. Hier sollte der Fokus nicht auf regionalem Ranking liegen, sondern auf der Gesamtdarstellung der Qualität der ambulanten Versorgung chronisch kranker Menschen in Deutschland, betonen die Autor*innen. 

Literatur:

  1. Hagen B et al. Der ungehobene Schatz der DMP-Daten, Kompendium Diabetes 2023; 18: 59–65
  2. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung. DMP-Atlas Nordrhein-Westfalen 2023. www.zi-dmp.de/dmp-atlas_nrw (letzter Zugriff: 21.02.2023)