Künstliche Intelligenz Die neue Heilsbringerin?
„Die Strukturen zerstören sich selbst“, prophezeit der Kinderarzt, Internetmedizin- und Start-up-Experte Dr. Markus Müschenich. Outcome, Patientenwünsche und Kosten – wer hier besser abschneidet, werde sich durchsetzen. Etablierte Anbieter würden sich künftig den Kuchen der Versichertengelder mit neuen Playern teilen müssen.
Der Allgemeinmediziner Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach von der Universität Frankfurt, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates fürs Gesundheitswesen, hat Beispiele aus dem Ausland parat.
Fernüberwachung hilft mehr als eine Nachtschwester
In Israel seien Menschen, die per Sensor ein Dutzend Vitalparameterwerte übertragen, selbst am Strand besser überwacht als hiesige Klinikpatienten auf einer Normalstation mit einer Nachtschwester. Oder: Eine Mutter übermittelt in einer pädiatrischen Videosprechstunde mit einem speziellen Zungenspatel LED-ausgeleuchtete, hochauflösende Bilder aus dem Mund ihres Sohnes zwecks Diagnose. Oder: In Texas erprobt Amazon ein Rund-um-die-Uhr-Videosprechstundenangebot, eine Arzneiflatrate und die Belieferung von Patienten per Drohne.
Prof. Gerlach teilt die Ansicht, dass viele Klinikbetten hierzulande verzichtbar sind. Eine neue Struktur könnte ein Maximalversorger bilden, um den sich ambulant-stationäre Gesundheitszentren gruppieren. Am Bedarf an Ärzten und Fachkräften, die im Team – auch mithilfe von KI – arbeiten, hat er keine Zweifel. Die Notwendigkeit persönlicher Zuwendung und Betreuung bleibe bestehen.
Starke Einflüsse der KI erwartet Prof. Dr. Christof von Kalle vom Berlin Institute Health-Chair für Klinisch-Translationale Wissenschaften im Bereich der Forschung. Die Produktivität der Studienenwicklung und -durchführung werde stark steigen. Selbst die unstrukturierte Dokumentation diverser Gesundheitsdaten werde mithilfe der KI bewältigbar. Die KI könne Krankenakten durchstöbern, gliedern und ggf. Muster erkennen und so den Arzt bei Entscheidungen und der Arbeit unterstützen. Werde Papierkram im Hintergrund automatisiert, bleibe mehr Zeit für menschliche Interaktion.
Der Healthcare-Analyst Kristoffer Unterbruner zitiert eine Unternehmensberatungsstudie, wonach KI besonders bei der Arzneimittelentwicklung für Furore sorgen könnte. Derzeit liegen die Entwicklungskosten für ein Medikament bis zur Marktreife bei durchschnittlich 2,3 Mrd. US-Dollar. Und das dauert 12 bis 13 Jahre. Aufgrund der steigenden Rechnerleistung und mithilfe von KI könnten Zeit und Kosten für die Suche nach geeigneten Molekülen um schätzungsweise 25 % bis 50 % reduziert werden.
Quelle: 7. Expertenzirkel von apoAsset