Kolumne Finger weg von den alten Befunden!
So kommt es nun, dass es eine breite Kampagne in Printmedien und Radio gibt und ein Info-Mobil durch Deutschland fährt und Land und Leute über die „ePA für alle“ informiert.
Klar, es macht großen Sinn, die Bevölkerung zu informieren: Die Menschen sollen schließlich eine informierte Entscheidung für oder gegen die eigene ePA treffen. Ein Teil in dieser wichtigen Aufklärung muss aber auch die Message sein, dass die ePA eine patientengeführte Akte ist: Die Patient:innen können und sollen Befunde selbst einstellen und löschen und sie sollen selbst die Zugriffsrechte festlegen. Und das muss auch allen Praxisteams in aller Deutlichkeit klar sein.
In der vergangenen Woche auf der practica in Bad Orb ist nämlich eine lebhafte Dikussion darüber entbrannt, wie denn nun bereits existierende Befunde ihren Weg ins Digitale finden. Das eine ist sicher: Es ist nicht die Aufgabe von uns Hausärzt:innen, die zahllosen Altbefunde in die ePA zu stellen!
Gesetzlich vorgesehen ist, dass die Patientinnen und Patienten bzw. deren Vertretungsberechtigte existierende Befunde selbst über ihre ePA-App in die Akte einstellen. Außerdem müssen die Krankenkassen auf Anfrage Papierbefunde ihrer Versicherten digitalisieren – einmal im Jahr bis zu 10 Befunde. Genauso liegt auch die Aufklärungspflicht zur ePA bei den Krankenkassen. Wenn Versicherte mehr über dieses Thema erfahren wollen, müssen wir sie also zu ihren ihren Kassen schicken.
Darauf weise ich bei mir im Team immer wieder hin. Denn bei meinen MFA geht die nachvollziehbare Sorge um, sich pünktlich zur Infektsaison im Februar nicht mit den Erkrankten, sondern mit der ePA beschäftigen zu müssen. Der Aufwand wäre nicht zu leisten – zumal die Patient:innen jedes Dokument, das Sie vielleicht mit großer Sorgfalt in die ePA eingepflegt haben, sofort wieder löschen können.
Wozu wir ab Februar 2025 verpflichtet sein werden, ist, relevante Behandlungsdaten aus unseren Praxen in die ePA zu laden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Die Daten müssen:
- In unserer Praxis erhoben worden sein UND
- in direktem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung entstanden sein UND
- digital vorliegen UND
- die Versicherten dürfen nicht widersprochen haben, dass diese Daten in die ePA kommen.
Somit ist auch geklärt, dass wir nicht die Befunde der Krankenhäuser einstellen und genauso wenig die Arztbriefe der fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen digitalisieren.
Die ePA wird also Schritt für Schritt mit den Jahren befüllt werden, insbesondere über das automatisierte Einstellen von Daten. Ein geschätzter Kollege aus dem Harz formulierte es so: „Mit der ePA bekommen wir nun eine digitale Bibliothek. Die Bücher fehlen aber noch.“ Zunächst wird die elektronische Medikationsliste in der ePA landen. Damit erscheint in der Akte automatisch jeder Wirkstoff, den ein Patient mit einem eRezept in der Apotheke einlöst. Zudem stellen die Krankenkassen automatisiert die Abrechnungsdaten der Versicherten in deren ePA. Es wird also transparenter, welche ICD-10-Codes und Abrechnungsziffern von den Praxen an die KVen übermittelt wurden.
Langfristig erwarte ich durch die ePA durchaus eine Verbesserung der Behandlungsabläufe. Ich habe aber eine Bitte an meine Kolleginnen und Kollegen: Erliegen Sie keinem Helfersyndrom. Das Digitalisieren der Altbefunde in die ePA ist Job der Versicherten und ihrer Krankenkasse. Sonst werden wir nämlich unter dem Arbeitsansturm untergehen. Und das würde die Versorgung nicht verbessern, sondern verschlechtern.