
Feldverweis – eine Kolumne Freitags in der Notaufnahme

Aus Unsicherheit und zwecks juristischer Absicherung werden sie von Altenpflegerinnen in unterbesetzten Heimen ins vermeintlich sichere nächste Krankenhaus gelotst, da der zuständige Hausarzt keine Zeit hat, vorbeizukommen. Dort schiebt ein mehr oder minder überforderter Assistenzarzt Dienst, während sich die meisten seiner Krankenhauskolleginnen und -kollegen – ist halt Freitag – auf den Weg nach Hause, zur Massage oder zum Golfplatz machen.
Weil aber ein Drittel aller Stationen im Haus geschlossen wurde, gibt es keine freien Betten mehr. Was tun? Die einweisende Hausärztin oder den Hausarzt anrufen, warum sie oder er Oma Czibulski nicht selbst besuchen konnte? Fruchtlos. Also hängt der Diensthabende, sofern er bei den häufig exsikkierten Patientinnen und Patienten eine Vene findet und diese nicht sofort zum Platzen bringt, 500 ml Ringer an und wartet fünf bis acht Stunden, bis Oma oder Opa wieder etwas aufklaren und/oder ein KTW verfügbar ist, der die Hochbetagten nach Hause oder ins Heim zurückbefördert.
RTW-Odyssee kostet die Kassen ein paar tausend Euro pro Wochenende
Von wo aus sie am nächsten Morgen – Altenpflegerinnen und pflegende Angehörige fühlen sich noch genauso unsicher wie am Vortag – wieder in die Notaufnahme geschickt werden. Dort hat jetzt zwar ein anderer Arzt Dienst. Der macht aber aus Mangel an Betten und Alternativen dasselbe, wie die Kollegin oder der Kollege am Vortag. Sonntags nochmals die Hin-und-Her-Nummer. Bis montags wieder mehr Personal in Heim und (Kranken-)Haus ist. Die Kassen kostet das ein paar tausend Euro pro Wochenende.
Die Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach und Karl-Josef-Laumann (NRW) betonen gerne, dass dank ihrer Reformen künftig spezielle Behandlungen nur noch in dafür qualifizierten Zentren durchgeführt werden und dadurch die Qualität steige. Das wird bei komplexen chirurgischen Eingriffen, anspruchsvollen Tumortherapien und der Herzkatheterisierung auch stimmen. Baden geht aber die wohnortnahe stationäre Versorgung der Menschen, die bald noch mehr frustrane RTW-Odysseen erleben müssen. Wenn die kleinen Kliniken weggefegt werden – wer soll dann die Leute aufnehmen?
Je größer und spezialisierter ein Krankenhaus ist und je trennschärfer spezifische Leistungsgruppen gegroupert werden können, desto weniger Betten wird es für die Vielzahl unspezifisch erkrankter alter Patientinnen und Patienten geben, weil diese im System nicht finanziell abgebildet werden können. Auch die „Vorhaltefinanzierung“ soll an die Fallzahlen gekoppelt werden. Es wird also keine bedingungslose Vorhaltung finanziert, sondern die Bezahlung wird weiterhin an die Schlagzahl plus Spezialisierungen geknüpft.
Auch die Lauterbach- und Laumann‘schen Reformen werden nicht verhindern, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren 30 % aller kleinen Häuser pleite gehen. Uni und Harvard klingen halt schick, Sangerhausen und Erftstadt basal-profan. You pay in any way.