Keine Exzellenzmedizin für Sterbende? Geplante Änderung der palliativmedizinischen Weiterbildung stößt auf Widerstand

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Schwer kranke Menschen müssen sich darauf verlassen können, jederzeit sicher beraten und versorgt zu werden. Schwer kranke Menschen müssen sich darauf verlassen können, jederzeit sicher beraten und versorgt zu werden. © JackF - stock.adobe.com

Die Palliativ- und Hospizversorgung von Schwerstkranken und Sterbenden hat hierzulande einen hohen Standard erreicht, so Prof. Dr. Claudia Bausewein. Die DGP-Präsidentin befürchtet jedoch, dass diese Versorgungsqualität samt der Patientensicherheit jetzt gefährdet wird. 

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) schlägt Alarm: Die Weiterbildungszeit für die Palliativmedizin wurde bereits 2018 von zwölf auf sechs Monate reduziert, je nach Landesärztekammer kann die Zusatzbezeichnung allein durch den Besuch von Kursen und eine abschließende Prüfung erworben werden. Mit einer beabsichtigten Neuregelung könnte Deutschland in puncto ärztliche Qualifikation sogar zum Schlusslicht in Europa werden, meint die DGP, denn „nach Plänen der Bundesärztekammer (BÄK) soll deutschlandweit zukünftig allein die Teilnahme an 160 Kursstunden genügen und es wäre keine Prüfung durch eine der Landesärztekammern mehr erforderlich“. 

Die Fachgesellschaft zeigt sich „entsetzt“ über das BÄK-Vorhaben, zumal die DGP gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ein zweistufiges Konzept für eine qualitativ hochwertige ärztliche Weiterbildung vorgelegt hatte. 

Für niedergelassene Ärzt:innen, so der Vorschlag, soll es leichter werden, sich neben dem Praxisalltag in der Palliativmedizin weiterzubilden. Denn in der Fläche sind vor allem die Niedergelassenen für die allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung zu Hause unverzichtbar. 

Angesichts immer komplexerer Krankheitsbilder sowie zunehmender medizinethischer und rechtlicher Fragen schlagen DGP und DEGAM zudem eine Zusatzbezeichnung in der speziellen Palliativmedizin vor. Auch die Belange von palliativ behandelten Kindern und Jugendlichen werden berücksichtigt. 

Im Blick: Charta zur Betreuung schwerstkranker Menschen 

„Schwer kranke Menschen und ihre Familien müssen sich in ihrer besonders geschwächten Situation am Lebensende darauf verlassen können, hinsichtlich ihrer spezifischen Symptome und Belastungen jederzeit sicher beraten und versorgt zu werden“, betont DGP-Präsidentin Prof. Bausewein. Alles andere wäre nicht seriös.

„Wenn sich die Pläne der Weiterbildungskommission der Bundesärztekammer durchsetzen, wird es zukünftig dem Zufall überlassen sein, über welche Qualifikationen Palliativmedizinerinnen und Palliativmediziner verfügen“, bemerkt Prof. Dr. Roman Rolke, Sprecher der Sektion Ärztinnen und Ärzte der DGP. Während an vielen Stellen von Exzellenzmedizin gesprochen werde, scheine man sich bei der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender von dieser Haltung zu entfernen. 

Der Geschäftsführer der DGP, Heiner Melching erinnert an die von BÄK, Deutschem Hospiz- und Palliativverband und der DGP gemeinsam initiierte Charta zur Betreuung schwerstkranker Menschen. In dieser wird explizit eine Weiterentwicklung und Spezialisierung in der Weiterbildung gefordert. 

Facharztweiterbildung für Palliativmedizin gefordert

„Nun stehen die Weichen auf Rückentwicklung“, beklagt Melching. Die Arbeitsgemeinschaft „Junge DGP“ fordert noch mehr, als es der vorgelegte Kompromissvorschlag von DGP und DEGAM vorsieht: „Wie es bereits in anderen Ländern etabliert ist, bräuchten auch wir in Deutschland eine Facharztweiterbildung Palliativmedizin.“ Die Fachgesellschaft fordert die BÄK auf, die notwendige fachliche Expertise der DGP in den Planungsprozess zur weiteren Gestaltung der Weiterbildung Palliativmedizin eng einzubinden. 

Quelle: Presseinformation – Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin