Pflegekraft-Leasing Gesetzgeber will Leiharbeit eindampfen
Leasingkräfte in der Alten- und Krankenpflege sind politisch in die Kritik geraten. „Die Leiharbeit in der Pflege nimmt zu und schwächt die Stammbelegschaften. Alle Pflegekräfte sollten besser verdienen“, tweetete z.B. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach im März.
Dass Leiharbeitskräfte in der Pflege meist besser bezahlt werden als regelhaft Angestellte, sorgt vielerorts für Verdruss. Nicht nur beim Stammpersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, das z.B. Früh-, Nacht- und Wochenendschichten unter meist widrigeren Bedingungen schieben muss, sondern auch bei den Einrichtungen selbst. Denn auf den Mehrkosten für Leiharbeit bleiben die einzelnen Kliniken sitzen – die Kassen übernehmen nur Aufwendungen bis zum maximal möglichen Tarifgehalt. Eine ähnliche Regelung wird nach dem neuen, im Mai vom Bundestag verabschiedeten Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) dann auch für die Pflegeeinrichtungen greifen.
Kliniken und Heime ächzen unter Personalnotstand
In den Krankenhäusern und Pflegeheimen ist die Personalnot unterdessen weiter groß. Schon jetzt fehlen nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft 200.000 Pflegekräfte. Um die Dienstpläne bei ausfallenden Klinikmitarbeitern oder Bedarfsspitzen in der Urlaubszeit zu erfüllen, springen Leasingkräfte ein – und das immer häufiger.
Die Unionsfraktion hat auf Basis öffentlicher Daten eine Verdoppelung der Zahl an Leiharbeitnehmern in der Gesundheitsbranche zwischen 2015 und 2021 errechnet. Laut ihrem Bericht kommen für eine Leiharbeitskraft auf den Arbeitgeber im Schnitt jährlich 108.500 Euro zu. Eine festangestellte Tarifkraft in P-7-Einstufung kostet hingegen nur etwa 60.000 Euro. Unterm Strich sind in diesem Zeitraum Mehrkosten von über 606 Mio. Euro im Vergleich zu Festanstellungen entstanden.
Schon länger regt sich Kritik gegen den zunehmenden Einsatz der meist besser bezahlten Leasingkräfte. In einem aktuellen Positionspapier fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Leiharbeit drastisch zu beschränken, da sich diese „von der Ausnahme zum Regelfall“ entwickle, so Vorstandschef Dr. Gerald Gaß. Belegschaften würden dadurch „mehr und mehr gespalten“. Denn Leasingkräfte ließen sich „nur zu bestimmten Wunschschichten“ einsetzen. „Der Stammbelegschaft bleiben unbeliebte Zeiten wie Wochenenden, Feiertage oder Nachtschichten“, sagt er. Die angestellten Pflegekräfte und Ärzte müssten die Zeitarbeitskräfte zusätzlich einarbeiten.
In der Folge wanderten immer mehr Beschäftigte selbst in die Leiharbeit ab. Deren deutlich höhere Kosten, die in den Pflegebudgets nicht abgebildet würden, sollten auf einen Stundensatz begrenzt werden, der maximal beim 1,5-Fachen der sonst üblichen Vergütung für Festanstellungen liege, meint Dr. Gaß.
Das neue Pflegegesetz hat für das Krankenhauspersonal in Sachen Leiharbeit erst mal keine neuen Vorgaben vorgesehen, konzentiert sich ausschließlich auf die Langzeitpflege, die wiederum das Personal von Pflege- und Seniorenheimen betrifft. Auch dort sollen künftig nur die in der Branche maximal üblichen Tariflöhne abgerechnet und Vermittlungsgebühren für die Zeitarbeitsfirmen zudem nicht weitergereicht werden dürfen. Die Leiharbeit in der Pflege begrenzen möchte auch der Freistaat Bayern. Er hat dazu eine Bundesratsinitiative gestartet. „Die Einrichtungen müssen in die Lage versetzt werden, Leiharbeit nur noch in Ausnahmefällen in Anspruch nehmen zu müssen – und dazu müssen die Arbeitsbedingungen des Stammpersonals so gut sein, dass ein Wechsel der Beschäftigten in die Leiharbeit nicht mehr attraktiv ist“, so Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Dies soll durch verlässliche Dienstpläne und Ausfallkonzepte wie etwa Springermodelle fürs Stammpersonal erreicht werden. Zudem sind bundesrechtliche Regelungen gefordert, etwa in Form eines Vergütungsdeckels. Ob und wie die Bundesregierung auf den bayerischen Vorstoß bei der Pflege reagiert und ob die Forderungen nach einer Gehaltsdeckelung arbeitsrechtlich überhaupt zulässig sind, bleibt abzuwarten.
Leipziger Klinikum macht‘s vor: Keine Leiharbeit mehr!
Auf Leasingkräfte komplett verzichten will inzwischen der Helios Konzern. „Der Markt für Leiharbeit im Krankenhaus hat sich in den vergangenen Jahren trägerübergreifend vergrößert“, erklärt die Pressestelle auf Anfrage von Medical-Tribune. Im Herzzentrum des Helios Klinikums Leipzig heißt es z.B., man sei „durch gutes Personalmanagement und flexible Arbeitsbedingungen so aufgestellt, dass wir seit einiger Zeit gar keine Leasingkräfte mehr einsetzen“. Leiharbeit solle generell nur in Ausnahmesituationen kurzfristig genutzt werden, denn durch die Personalvermittler entstünden „zusätzliche Overheadkosten“, die man „sinnvoller einsetzen“ könne.
Zwischen 2,2 und 2,4 % aller Pflegekräfte machen Zeitarbeit. „Sehr viele von ihnen waren Stammmitarbeiter“, sagt der Pressesprecher des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen, Wolfram Linke. Zeitarbeit sei attraktiv, weil die Leasingkräfte „selbst bestimmen können, wann sie wo eingesetzt werden, ihre Entlohnung frei verhandeln und – das hat eine beauftragte IW-Auswertung ergeben – sie fühlen sich in der Zeitarbeit mehr wertgeschätzt. Das hat uns selbst überrascht“.
Linke klagt: „Wir werden verantwortlich gemacht für die Versäumnisse der Politik und der Pflegebranche der vergangenen 20 bis 30 Jahre.“ So sieht das auch Holger Heier. Er war früher Heim- und Pflegedienstleiter, hat inzwischen sein eigenes Zeitarbeitsunternehmen gegründet. Die Branche kennt er demnach aus dem Effeff, und berichtet, dass ihm „nur wenige Pflegefachkräfte bekannt“ seien, „die nicht wenigstens einhundert Überstunden, oft sogar deutlich mehr, auf ihrem Arbeitszeitkonto haben.“ Eigene Arbeitszeitmodelle der Einrichtungen hält Wolfram Linke für sinnvoll. Hierdurch könnten die Zeitarbeitsfirmen zu ihrer originären Aufgabe in der Pflege zurückfinden: flexibler Personaldienstleister bei Auftragsspitzen oder im Krankheitsfall zu sein. Bei einem kompletten Verbot würden allerdings „auf einen Schlag 21.000 Pflegefachkräfte fehlen, die dann in andere Berufe abwanderten“. Dies schätzt der Pressesprecher als ein „sehr ernst zu nehmendes Problem, weil es zulasten der Patienten und der Pflegenden ginge“.
Medical-Tribune-Bericht