Honorargefälle frustriert Psychotherapeuten
Für den Vorstandsvize der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), Dipl.-Psych. Gebhard Hentschel, war das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Oktober nicht nur ein „herber Schlag“. Es war auch die höchstrichterliche Absegnung eines Lohngefälles, gegen das der Verband seit Jahren ankämpft. Das Gericht, so zeigte sich Hentschel überzeugt, manifestiere mit seinen Beschlüssen die Honorarlücke zwischen somatisch tätigen Ärzten und Psychotherapeuten.
Als Beleg für die Lücke zog Hentschel den Honorarbericht der KBV fürs erste Quartal 2014 heran. Dieser weist für Psychotherapeuten etwas mehr als 14 000 Euro Gewinn aus. Für Psychiater, die am schlechtesten verdienenden Ärzte, sind es 22 000 Euro und für Hausärzte 27 000 Euro. Man wolle das – trotz BSG-Urteil – nicht weiter hinnehmen, sagte Hentschel. „Wir erwägen jetzt eine verfassungsrechtliche Überprüfung.“
Anspruch auf Zulage nur für voll ausgelastete Praxen
Das BSG-Urteil wurde zunächst nur mündlich verkündet, mit einer schriftlichen Begründung wird erst in ein paar Monaten gerechnet. Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) klagte unter anderem gegen eine Entscheidung des Bewertungsausschusses aus dem Jahr 2015, in der die Vergütung für Psychotherapeuten rückwirkend ab 2012 neu geregelt wurde. Die Kosten für eine halbtags angestellte Verwaltungskraft wurden damals in eine Strukturzulage ausgelagert, also nicht mehr in die Vergütung pro Therapiesitzung einberechnet. Anspruch auf die volle Zulage haben seitdem aber nur Therapeuten, deren Praxis voll ausgelastet ist, bei weniger als halber Auslastung gibt es gar keine Zulage. Die maximale jährliche Zulage liegt bei 15 000 Euro. Das BSG bestätigte diese Praxis nun grundsätzlich.
Dass Lohnkosten für Praxisassistenten nicht in die Leistungsziffern eingespeist würden, sondern in eine nur unter bestimmten Bedingungen auszuzahlende Strukturzulage, „gibt es sonst in keiner Arztgruppe“, sagte DPtV-Justiziar Dr. Markus Plantholz. „Es stellt sich da natürlich die Frage der Gleichbehandlung.“
Die vom Bewertungsausschuss festgelegte Sonderregelung entspreche einer „Bestrafungsfunktion für die Psychotherapeuten, die ihre Praxis nicht an der Zahnfleischgrenze führen“, meinte Rechtsanwalt Holger Barth, der für den bvvp vor dem BSG prozessierte.
Das gelegentlich zu hörende Argument, Psychotherapeuten verdienten auch deshalb weniger, weil sie weniger arbeiteten, sei nicht durch Zahlen zu belegen, betonte DPtV-Vize Hentschel. So zeige das Praxispanel des Zentralinstituts der KBV für das Jahr 2015, dass Psychotherapeuten mit 47 Stunden im Schnitt exakt genauso viel arbeiteten wie Hausärzte. Das Panel berechnete einen effektiven Stundenlohn für Therapeuten von 35 Euro – und 68 Euro für Hausärzte.
Einkommen wie ein Facharzt muss möglich sein
Das BSG urteilte jetzt auch in einer anderen Sache, nämlich zur Berechnung des Mindesteinkommens für Psychotherapeuten. Seit Jahren gilt hier die ebenfalls vom BSG festgeschriebene Formel, dass Psychotherapeuten ein Einkommen erzielen können müssen, das mindestens dem der am wenigsten verdienenden Facharztgruppe entspricht. Hier habe der Erweiterte Bewertungsausschuss zu Unrecht „nicht-prägende Leistungen“ aus den Durchschnittseinkommen der Vergleichs-Arztgruppen herausgerechnet, das BSG verwies auf Labor- und Belegarztleistungen. Es müsste deshalb nun genau definiert und begründet werden, ab wann und warum Leistungen nicht-prägend seien.
Um rund 5000 Euro sei durch das – nun vom BSG untersagte – Vorgehen das kalkulierte Einkommen der Psychotherapeuten pro Jahr gesunken, erklärte Rechtsanwalt Barth. DPtV-Justiziar Dr. Plantholz erwartet, dass von diesem Geld „knapp zwei Drittel“ nachgezahlt werden, und zwar rückwirkend ab 2012. Allerdings seien solche Prognosen noch sehr unsicher. Ob man für eine bessere Honorierung vors Bundesverfassungsgericht zieht, will die DPtV entscheiden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung des BSG vorliegt.