Psychotherapeuten sollen Patienten besser aufklären, was die Behandlung leisten kann

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Patienten sind mit ihrer Psychotherapie oft unzufrieden, weil sie ihre Erwartungen nicht erfüllt. Patienten sind mit ihrer Psychotherapie oft unzufrieden, weil sie ihre Erwartungen nicht erfüllt. © Microgen – stock.adobe.com

Viele Menschen profitieren von der reformierten Psychotherapie-Richtlinie und den erleichterten Zugängen zur Behandlung. Das Optimum ist aber längst nicht erreicht, wie der Barmer-Arztreport verdeutlicht.

Die Reform der Psychotherapeuten-Richtlinie hatte die Erleichterung des Zugangs zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung sowie eine zeitnahe Therapie zum Ziel, u.a. durch das Angebot einer psychotherapeutischen Sprechstunde. Allein im ersten Jahr nach der Reform sei diese Sprechstunde neun Mio. Mal abgerechnet worden, berichtet der Barmer Vorstandsvorsitzende Professor Dr. Christoph Straub.

Reform der Richtlinie

Seit dem 2. Quartal 2017 sind folgende Leistungen Pflicht:
  • Telefonische Erreichbarkeit des Therapeuten 200 Min./Woche
  • Psychotherapeutische Sprechstunde (Erwachsene: bis zu sechs Einheiten à 25 Minuten)
  • Psychotherapeutische Akutbehandlung (maximal 24 Einheiten à 25 Minuten bzw. 600 Minuten)

Außerdem ist die Zahl der Therapeuten erheblich gestiegen, von 2009 zu 2018 um 44 % – insbesondere in den neuen Bundesländern und auch in ländlichen Regionen. 2018 gab es bundesweit mehr als 36 500 Ärzte und Therapeuten mit einer psychotherapeutischen Qualifikation. Die Zahl der psychologischen Psychotherapeuten stieg seit 2009 um 54 % von 13 700 auf 21 000. Auch die Zahl der ambulant tätigen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten nahm zu. Sie hat sich von rund 2600 auf etwa 5500 mehr als verdoppelt.

Mehr Psychologen, aber nur 73 % arbeiten Vollzeit

Dennoch gibt es Engpässe, wie Professor Dr. Joachim Szecsenyi, Autor des Barmer-Arztreports 2020 und Geschäftsführer des aQua-Instituts in Göttingen, nach Auswertung von 1,05 Mrd. Abrechnungsfällen und 4,3 Mrd. Diagnoseangaben erläuterte. Ein Problem: „Die steigende Anzahl der Therapeuten kommt nicht eins zu eins in der Versorgung an, weil immer mehr ihre Arbeitszeit reduzieren. Im Jahr 2013 haben 89 % der psychologischen Psychotherapeuten in Vollzeit gearbeitet und 2018 nur 73 %.“ Eine Folge ist, dass zwar fast 18 % der Betroffenen ein bis zwei Monate nach einer psychotherapeutischen Sprechstunde einen Therapieplatz bekommen, gut 9 % der Patienten müssen jedoch mehr als drei Monate bis zum Therapiebeginn warten. Mitverantwortlich dafür ist aber auch die unterschiedliche regionale Verteilung der Therapeuten. Während in dünnbesiedelten Gebieten 21 Therapeuten auf 100 000 Einwohner kommen, sind es in dichtbesiedelten Regionen 69 Therapeuten. In Orten mit Psychotherapieausbildungsstätten wie Freiburg und Heidelberg sind es sogar 160. Ein anderes Problem, das mit einer repräsentativen Umfrage unter Psychotherapie-Patienten für den Arztreport aufzeigt wird, ist: Die Patienten sind nicht immer mit der Behandlung zufrieden. Zwar bestätigten fast 70 % der Befragten, dass sich der Therapeut „umfassend und individuell“ mit dem Problem befasst habe. Jedoch nur 66 % zeigten sich mit dem Ergebnis der Therapie voll zufrieden. Prof. Straub vermutet dahinter eine unrealistische Erwartungshaltung. Eine Psychotherapie decke aber nun mal eher Verhaltensmuster auf, gebe dem Patienten Denkanstöße zu selbstständigen Lösungen und es gehe häufig auch nur in kleinen Schritten voran.

Mit Gruppentherapien die Wartezeit verkürzen

Der Mediziner forderte die Therapeuten auf, „zu Beginn klar zu formulieren, was die Patienten sich von einer Therapie erhoffen können“. Die Psychotherapiesprechstunde wird auch von den Terminservicestellen der KVen vermittelt. Jeder zweite Befragte äußerte sich zufrieden über den erhaltenen Termin, jeder dritte war weniger bzw. unzufrieden. Die Entfernung zum Therapeuten bemängelte jeder Vierte. Um die Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu verkürzen, fordert Prof. Straub von den Therapeuten, verstärkt Gruppentherapien anzubieten, sofern dies medizinisch sinnvoll sei.

Quelle: Barmer-Pressekonferenz