Psychotherapie beißt sich mit Chronikerpauschalen

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Christian Puk/ Dr. Gerd Zimmermann

Es geht darum, entgegenzusteuern, dass Hausärzte sich spezialisieren und damit weniger in der Grundversorgung engagieren, aber trotzdem weiter für diese honoriert werden. Es geht darum, entgegenzusteuern, dass Hausärzte sich spezialisieren und damit weniger in der Grundversorgung engagieren, aber trotzdem weiter für diese honoriert werden. © Fotolia/Alexander Raths

K.-o.-Katalog: Wenn eine umfassende hausärztliche Versorgung auf dem Land an ihre Abrechnungsgrenzen stößt.

Dr.Christian Puk, Praktischer Arzt aus Faulbach: Warum sind die Chronikerpauschalen 32020 und 32021 neben der EBM-Nr. 35151 ausgeschlossen? Für mich als Landarzt mit Zusatzausbildung Psychotherapie heißt das, dass ich diese Leistung bei meinen Patienten nicht vergütet bekomme. Soll ich meine chronisch Kranken zur psychotherapeutischen Sprechstunde etwa an Kollegen in Würzburg überweisen? Zudem werde ich jetzt wohl noch Probleme bei der Abrechnung des Vorquartals bekommen: Kürzt mir der Prüfalgorithmus die (schlechter bewerteten) Nrn. 03220/03221, werden die Bedingungen für Chroniker nicht mehr erfüllt. Absurd.

Dr. Gerd Zimmermann, Facharzt für Allgemeinmedizin, Hofheim/Ts.: Die „Psychotherapeutische Sprechstunde“ gehört zum sog. K.-o.-Katalog. Diese Leistungen werden im EBM sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich als fachfremd angesehen. Als Konsequenz können Hausärzte neben diesen Ziffern nicht gleichzeitig die Chronikerpauschale abrechnen und Fachärzte keine Grundpauschale. Zu den K.-o.-Leistungen gehören z.B. auch die Akupunktur und vor allem Leistungen der Inneren Medizin.

Logisch ist das nicht. Kollege Puk muss sich sozusagen bei jedem Patienten entscheiden, ob er diesen haus- oder fachärztlich behandeln will. Und wirtschaftlich ist es auch nicht: Überweist er den Patienten an einen Psychotherapeuten, wird es für die Kassen wesentlich teurer.

Strategische Maßnahme gegen „atypische Hausärzte“

Trotzdem handelt es sich um keinen „Fehler“ des Systems. Es geht darum, entgegenzusteuern, dass Hausärzte sich spezialisieren und damit weniger in der Grundversorgung engagieren, aber trotzdem weiter für diese honoriert werden. Befürchtet wird, dass den Landärzten Honorarvolumen entzogen wird, während Ärzte in der Stadt die hausärztlichen Grundleis­tungen abrechnen, ohne die Grundversorgung zu gewährleisten.

Dieses Phänomen wurde speziell für die Stadt München als problematisch identifiziert. Dort weisen fast alle Hausärzte eine Spezialisierung auf, die es ihnen ermöglicht, mit den geringen Münchner Fallzahlen, die durch die Überversorgung entstehen, zu überleben. Man spricht hier von „atypischen Hausärzten“.

Der Kollege Puk ist nun leider ein Opfer dieser politischen Strategie geworden. Er praktiziert auf dem Land und versucht mit seiner Spezialisierung eine umfassende Betreuung zu gewährleisten. Dafür wird er doppelt bestraft: Er kann die Chronikerpauschalen nicht neben seinen psychotherapeutischen Leistungen abrechnen und läuft zudem noch Gefahr, dass die kontinuierliche Behandlungsdokumentation über vier Quartale unterbrochen wird, was sich auf das Ansetzen der Chroniker­ziffer auswirkt.

Widerspruch einzulegen kann sich lohnen

Obgleich er seine chronisch kranken Patienten hausärztlich kontinuierlich betreut, kann er die Chronikerpauschalen erst wieder abrechnen, wenn er diese Patienten vier Quartale lang nicht psychotherapeutisch behandelt hat. Hier macht es sich die KV zu einfach. An keiner Stelle des EBM steht, dass diese kontinuierliche Behandlung über vier Quartale nur durch die Abrechnung der Chronikerpauschalen dokumentiert werden kann. Meiner Ansicht nach hätte z.B. ein entsprechender ICD-Code den gleichen Beweiswert.

Was heißt das? Gegen das Streichen der Chronikerziffern bei gleichzeitiger Abrechnung psychotherapeutischer Leistungen kann sich der Kollege nicht wehren, denn das ist eine eindeutige Regelung im Bundesmantelvertrag (BMV-Ä), die in den EBM Einzug gehalten hat. Gegen das spätere Streichen der Chronikerleistungen, wenn keine Psychotherapie mehr erfolgt, kann er aber mit guten Erfolgsaussichten Widerspruch einlegen. Ich empfehle sogar, in den betroffenen Quartalen die Chronikerleistungen bewusst neben der Psychotherapie anzusetzen. So dokumentiert der Arzt in jedem Fall die Berechtigung zum Ansatz.

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