Kryokonservierung Junge Erkrankte drängen auf Entscheidungen pro Eizellspende und Leihmutterschaft
Antonia hat Gebärmutterhalskrebs und ihre Gebärmutter ist nach der Therapie „einfach tot“, wie sie auf dem Symposium „Zukunft Leihmutterschaft und Eizellspende in Deutschland“ erzählt: „Die Eierstöcke sollten bald wieder anfangen zu funktionieren, aber ich kann damit nichts anfangen, weil die Gebärmutter verstrahlt ist.“ Für sie bestehe die einzige Chance, Kinder zu haben, in einer Leihmutterschaft, so die junge Patientin. Obwohl die Medizin so weit sei, diese zu ermöglichen, werde ihr die Mutterschaft in Deutschland verwehrt: „Das Wissen, dass es funktioniert, macht mir zu schaffen, das ist das Schlimmste an der ganzen Sache.“
Die Initiatoren des Symposiums, die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und der Verein zur Förderung der Legalisierung von Leihmutterschaft (VFLLD), machen sich gemeinsam dafür stark, dass die Politik die Leihmutterschaft wie auch die Eizellspende in Deutschland möglich macht. Seitens SPD, Grüne und FDP ist dies eine Option. Im Koalitionsvertrag der „Ampel“ wurde 2021 festgehalten, dass die Regierungsparteien in dieser Legislaturperiode eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einsetzen. Diese soll neben Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches auch Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen.
Ende März 2023 trat das Gremium, dem 18 Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften angehören, zur konstituierenden Sitzung zusammen. Zwei Arbeitsgruppen sollen jetzt für die zwei großen Themen Empfehlungen ausarbeiten. Angestrebt wird ein Abschlussbericht nach zwölf Monaten.
Stiftung und VFLLD haben nach vielen Gesprächen mit weiteren Betroffenengruppen eine Allianz zur Legalisierung der Leihmutterschaft und Eizellspende (A.L.L.E.) ins Leben gerufen, um mit einer Stimme zu sprechen. Kritisch bewerten die Beteiligten ganz aktuell, dass sie in die Kommission nicht einbezogen sind. Es sei doch wichtig, heißt es in einem gemeinsamen Papier, „nicht nur Expertinnen und Experten in dieser Debatte zu Wort kommen zu lassen, sondern auch diejenigen anzuhören, die von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind und für die die zu treffenden gesetzlichen Regelungen neue Perspektiven eröffnen sollen“.
Die derzeitige gesetzliche Regelung in Deutschland
In Deutschland gilt seit 1991 per Embryonenschutzgesetz ein Verbot der Ersatzmutterschaft und ebenso der Eizellspende. Das Entstehen einer „gespaltenen Mutterschaft“, bei der genetische und austragende Mutter nicht identisch sind, soll damit verhindert werden. „Die Leihmutterschaft geht insgesamt mit so großen Unsicherheiten und möglichen psychischen Konflikten einher, dass es schwer zu verantworten wäre, ein Kind im Wissen um diese Risiken zu zeugen“, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Strafbar machen sich laut Gesetzeslage diejenigen, die zwecks Ersatzmutterschaft die fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen vornehmen. Wer gegen die entsprechende Regelung in § 14b Absatz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes verstößt, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe rechnen. Wer für die Vermittlung einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt, muss sogar mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen. Bei gewerbs- oder geschäftsmäßigen Vorgehen können auch Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren ausgesprochen werden. Nicht strafbar machen sich allerdings die Ersatzmutter und auch nicht die sog. Bestelleltern, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen wollen.
Homosexuelles Paar wird Familie mit Tochter und Sohn
Jens Landwehr ist ein Mann mit solchen persönlichen Erfahrungen. Er habe in den 1990er-Jahren in Kalifornien von den Möglichkeiten reproduktionsmedizinischer Verfahren gehört, berichtet er im Symposium. In der Presse und Öffentlichkeit sei inklusive aller Bedenken darüber berichtet worden, ganz anders als in Deutschland. Die Leihmutterschaft sei in den USA vor allem für heterosexuelle Paare als Möglichkeit betrachtet, aber eben auch für homosexuelle Paare diskutiert worden.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2000 irritierte den jungen Mann die hiesige „Sprachlosigkeit“ zu dem Thema. Er lernte dann seinen Partner kennen und es entwickelte sich ein gemeinsamer Kinderwunsch. Das Paar prüfte die Optionen, auch Adoption und Pflegeelternschaft. Nach mehreren Reisen in die USA entschieden sie sich letztendlich doch für die Leihmutterschaft.
Ihre Tochter sei kürzlich 15 geworden, bemerkte Landwehr sichtlich bewegt und nach eigener Aussage überwältigt von den Erinnerungen an die schwierige Zeit. Sein Mann habe die Tochter adoptieren müssen, was aber rechtlich möglich gewesen und durch den Richter vom deutschen Amtsgericht problemlos durchgewinkt worden sei. Nur das Jugendamt habe sie erst nicht als Familie anerkennen wollen.
2014 wurde das zweite Kind, ein Sohn, geboren. Weil laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs seit 2013 die in anderen Ländern akzeptierte Elternschaft auch von Deutschland anzuerkennen ist, war beim zweiten Kind kein Adoptionsverfahren mehr nötig. „Jetzt sind wir also eine ganz normale Familie mit zwei Kindern“, so Landwehr. Es gebe aber noch viele Menschen in Deutschland, die völlig falsche Vorstellungen hätten von Leihmutterschaft, deshalb müsse man über Geschichten wie seine reden. „Gut organisiert sind die Verfahren für alle Beteiligten unglaublich gewinnbringend.“
Prof. Dr. Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und viele Jahre aktiv in der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), hält die Einbeziehung der Betroffenenperspektive auch deshalb für erforderlich, damit letztendlich „eine realistische und praktikable Regelung erarbeitet wird, die für die betroffenen Personen eine Entlastung bringt“.
Kryokonservierung ist eine Kassenleistung
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 16.500 junge Menschen zwischen 18 und 39 Jahren an Krebs. 80 % von ihnen können geheilt werden. Allerdings führen eine aggressive Krebstherapie oder auch die Krebserkrankung selbst vielfach zur Unfruchtbarkeit. Helfen kann die Kryokonservierung von vor der Behandlung entnommenen Spermien, Hodengewebe, Eizellen oder Eierstockgewebe. Dieser Weg ist jedoch zum Teil mit hohen Kosten verbunden. Deswegen hat die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs lange dafür gekämpft, dass die Kryokonservierung von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. Ein entsprechender Gesetzesbeschluss folgte 2019. Im Februar trat die Richlinie für die Kryokonservierung von Spermien, Hodengewebe und Eizellen in Kraft; Abrechnungsziffern gibt es seit Juli 2021. Eine erweiterte Richtlinie für die Kostenübernahme bei Kryokonservierung von Eierstockgewebe gibt es seit 14.11.2022. Die Abrechnungsziffern hierfür gelten ab Juli 2023.
Allianz spricht jetzt mit einer Stimme
Betroffen von einem unerfüllten Kinderwunsch sind neben jungen Menschen mit Krebs und homosexuellen Männer-Paaren auch Menschen mit Anomalien wie beim Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, mit angeborenem Herzfehler, Endometriose, vorzeitigem Eintreten der Wechseljahre. Durch die Allianz sprechen sie jetzt mit einer gemeinsamen Stimme. Sie fordern bei einer gesetzlichen Neuregelung nicht nur die Beachtung aller Perspektiven, sondern auch von Erfahrungen aus dem Ausland. Sie wollen keine neuen Konstrukte oder Sonderwege, die in der Praxis womöglich Probleme bereiten. Und sie sprechen sich für eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation neuer Regelungen aus.
Stiftungsvertreter Felix Pawlowski bezeichnet die Leihmutterschaft als letzte Option nach Prüfung anderer Möglichkeiten. Es sei keine schnelle und leichte Entscheidung. Oft vergingen bis dahin viele Jahre. Betroffene würden oft gefragt, warum sie nicht „einfach“ ein Kind adoptierten. „Beim genaueren Blick darauf zeigt sich, dass das eben nicht so einfach ist in Deutschland“, erklärt Pawlowski. Auf ein zu adoptierendes Kind kämen im Schnitt zehn Wunscheltern. Und mit manchen Erkrankungen käme eine Adoption eben auch gar nicht infrage. „Die Option Adoption gibt es einfach für den Großteil der Betroffenen nicht.“
Patientin Sina entwickelte z.B. mit der Krebserkrankung eine Depression. Man werde bei einer Adoption jedoch „durchleuchtet und man muss sauber sein, auch psychisch gesund“, sagt sie. Und so beschreibt auch sie die Leihmutterschaft als einzig verbleibenden Weg, Mutter zu werden.
Medical-Tribune-Bericht