Werbeverbot für Ungesundes Koalitionspartner sollen Minister Özdemir den Rücken stärken

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks wie empfohlen. Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks wie empfohlen. © Janni – stock.adobe.com

Ernährungsminister Cem Özdemir hat für seine Regulierungsideen bei Snack- und Fast-Food-Werbung, die sich an Kinder richtet, von Ärzten, Kassen und Verbraucherschützern viel Beifall erhalten. Doch sind seine Pläne politisch durchsetzbar?

Das Bundesernährungsministerium erklärt: Lebensmittelwerbung hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten bei Kindern – doch die bisherigen freiwilligen Selbstverpflichtungen und Branchenregeln schützen Mädchen und Jungen „nicht effektiv vor negativen Werbeeinflüssen“. Darum soll sich Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt „in allen relevanten Medien“, ebenso wie Influencermarketing, nicht mehr an unter 14-Jährige richten dürfen.

Chips statt Chicorée 

Im Schnitt sehen Kinder, die Medien nutzen, täglich 15 Werbespots für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Durchschnittlich 92 % der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, ist für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süßwaren und Snacks und nur halb so viel Gemüse und Obst wie empfohlen.

Quelle: BMEL

In seinen Eckpunkten für ein Gesetz zu Werbebeschränkungen für ungesunde Kinderlebensmittel lis­tet Ernährungsminister Cem ­Özdemir (Grüne) folgende Vorhaben auf: An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt soll unzulässig werden zwischen 6 und 23 Uhr sowie im Kontext mit auch Kinder ansprechenden Inhalten. Plakatwerbung soll untersagt werden in einem Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder Freizeiteinrichtungen, die vor allem von Kindern besucht werden. An unter 14-Jährige gerichtetes Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt wird auch tabu. Die Beurteilung der Gehalte soll sich an den Anforderungen des Nährwertprofilmodells der WHO orientieren. 

Werbewirtschaft warnt vor Folgen für Medien und Sport

Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft, spricht von einem „Meilenstein für die Kindergesundheit“. Das WHO-Nährwertmodell sei die ideale Grundlage für die Werbebeschränkung und die vorgeschlagenen Uhrzeiten stellten einen umfassenden Schutz der Kinder unter 14 Jahren sicher. „Die schädlichen Einflüsse der Lebensmittelwerbung können nur mit einem solch umfassenden Ansatz wirksam eingedämmt werden. Wir appellieren an die Koalitionspartner, diesen aus wissenschaftlicher Sicht richtigen und wichtigen Vorschlag des Ministers zu unterstützen.“

Viele der beliebtesten Sendungen bei Kindern unter 14 Jahren seien keine Zeichentrickfilme, sondern Familienshows und Fußballübertragungen, sagt Bitzer. Eine Werbebeschränkung, die nur im Umfeld klassischer Kindersendungen greifen würde, wäre zum Scheitern verurteilt. Ähnlich äußert sich die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann. 

Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband kommentiert: „Werberegulierungen für ungesunde Lebensmittel wären ein echter Durchbruch für mehr Kinderschutz. Andere Länder zeigen, dass Werberegulierungen wirken. Es ist zu erwarten, dass die Lebensmittel- und Werbeindustrie gegen die Pläne Sturm läuft.“ Minister Özdemir solle standhaft bleiben und seine ambitionierten Pläne nicht verwässern. 

Der Spitzenverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW kommentiert die Pläne als „massive Überregulierung“ ohne  tragfähige Grundlage. „Die untaugliche Verbotspolitik nimmt in Kauf, die Refinanzierung von Medien und Sport weitgehend zu beschädigen und den Wettbewerb, darin eingeschlossen den Markterfolg von Innovationen, auszuschalten.“ Die vom Ministerium mitgeteilten Daten zur Werbemenge seien unzutreffend. Das WHO-Verbotsmodell sei weder ein verbreiteter noch erfolgreicher Politikansatz.

Medical-Tribune-Bericht