Kommentar Der korrupte Ärzte-Jäger mit Kollateralnutzen
Heute, nach über zwei Jahren „Alexander B.“, kürzen die meisten Medien den Namen des angeklagten Oberstaatsanwaltes nicht mehr ab: Alexander Badle ist angeklagt wegen langjährigem Korruption und Amtsmissbrauch und hat in einem 19-seitigen Geständnis die Verantwortung für den von ihm großgezogenen Kick-back-Goldesel im Medizinstrafrecht übernommen. Deswegen wird auch Medical Tribune ihn in Zukunft beim vollen Namen nennen.
Alexander Badle war durch sein persönliches Auftreten bei vielen Ärzten gefürchtet, bei einigen vielleicht verhasst. In der Hauptverhandlung zeigt er sich eher als tragische Persönlichkeit. Weder das eine noch das andere soll bei der Frage nach der Verantwortung irritieren – seinen Fall juristisch zu bewerten obliegt dem Gericht.
Doch es sollte in diesem hessischen Justiziskandal, der als einer der größten gesehen wird, nicht nur um Badle gehen. Denn neben ihm und jenen, die ihn bestochen haben, gab es in diesem Spiel weitere Figuren. Dazu gehören zum Beispiel die vorgesetzten Generalstaatsanwälte, seine staatsanwaltschaftlichen Kolleginnen und Kollegen, das Justizministerium. Sie haben nicht nur weggeschaut, sondern sich auch mit seinem Erfolg geschmückt. Denn er und die für ihn geschaffene – bundesweit erste – Struktur im Medizinwirtschaftsstrafrecht hatten sich einen hervorragenden Ruf als konsequente Kämpfer gegen die Korruption erarbeitet. Solche Lorbeeren schmücken auch den Dienstherren.
Auch nach der Kassenärztlichen Vereinigung muss man fragen. Badle hat mit Strafvereitelung wegen Unterlassung gedroht, wenn die KV Verdachtsfälle unter der Fragestellung Anzeigenerstattung ja oder nein filtern würde. Entsprechend wurden auch kleinste Verdachtsmomente automatisch an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet – ohne Prüfung und ohne Beschluss des Vorstandes, berichten Anwälte. Rein faktisch schaffte die KV sich damit aber nicht nur den Oberstaatsanwalt vom Hals – sondern auch die Ärzte, die somit von Klagen gegen Regressbescheide Abstand nahmen. Die Folge: Streitigkeiten wurden nicht mehr gerichtlich ausgefochten, sondern auf dem Sanktionsweg entschieden. Für eine KV nicht die schlechteste Lösung – auch wenn das nicht intendiert war.
Und dann muss man auch einen Blick auf die Ärztinnen und Ärzte und ihre Rechtsbeistände werfen. Denn das Vorgehen des Oberstaatsanwalt barg für sie durchaus auch Vorteile. Badle war dafür bekannt, häufig zum Mittel der Einstellung gegen Auflage zu greifen. Vielleicht wollte er damit das Risiko verringern, dass in den Hauptverhandlungen Gutachtenaufträge und -kosten vom Gericht oder engagierten Verteidigern näher eingesehen werden.
Für manche Ärzte war das ein Glücksfall: Ohne mündliche Hauptverhandlung kein Zulassungsverlust, kein Approbationsentzug, keine Rufschädigung und kein Hinziehen des belastenden Verfahrens. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich über eine Verhandlung ein Freispruch ergibt, war wohl selten groß – einen Anlass gibt es ja doch meist, wenn Krankenkassen oder KV einen Verdachtsfall bei der Staatsanwaltschaft melden.
Das „System Badle“ bestand also nicht nur aus dem systematisierten Tausch von Auftrag gegen Geld. Gesellschaftlich verhandelt werden muss ein System, das gedeihen konnte, weil Personen und Institutionen wegschauten und indirekt profitierten.
Hintergründe zum Fall Alexander Badle und dem dahinterstehenden System in unserem ständig aktualisierten Blog:
Korruption im Gesundheitswesen – Der Fall Alexander B.
Aktualisiert: 01.02.2023