Kolumne Lassen Sie uns gemeinsam Muskeln retten!

Kolumnen Autor: Sebastian Alsleben

Die Abnahme von Muskelmasse und -kraft ist ein reales, zunehmendes Gesundheitsproblem, das alle Alters- und Bevölkerungsgruppen betrifft. Die Abnahme von Muskelmasse und -kraft ist ein reales, zunehmendes Gesundheitsproblem, das alle Alters- und Bevölkerungsgruppen betrifft. © standret - stock.adobe.com

Spätestens seit Lieferdienste und einige Supermärkte anbieten, uns sämtliche Lebensmittel bis an die Haustür zu liefern, ist für mich klar: Wir schaffen unsere Muskulatur ab! Das klingt vielleicht erst mal überspitzt. Aber schauen wir uns die Prävalenz der Sarkopenie an, dann liegt diese schon in der Normalbevölkerung bei 5–10 %. Im geriatrischen Bereich ist sie um ein Vielfaches höher. Die Abnahme von Muskelmasse und -kraft ist ein reales, zunehmendes Gesundheitsproblem, das alle Alters- und Bevölkerungsgruppen betrifft. Und ein großer Teil dieses Problems ist hausgemacht.

Zunächst müssen wir aber den Begriff Sarkopenie verstehen. Denn ich habe das Gefühl, dass diese bei einigen Kolleginnen und Kollegen als irrelevant, da scheinbar unvermeidlich angesehen wird. Es handelt sich um einen multifaktoriellen Zustand, der durch genetische, biologische und nicht zuletzt verhaltensbedingte Faktoren beeinflusst wird. Laut der European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP) sind die Hauptmerkmale ein Verlust von Muskelmasse, die Abnahme der Muskelkraft und die Verringerung der körperlichen Funktion.

Studien zeigen, dass Sarkopenie mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Komplikationen einhergeht – darunter vor allem eine erhöhte Mortalität, ein größeres Sturzrisiko, eine reduzierte Lebensqualität und die Zunahme von chronischen Erkrankungen.

Dabei gibt es einfache Wege, dem gefährlichen Muskelschwund entgegenzuwirken. Sport und insbesondere das gezielte Krafttraining bieten eine perfekte Möglichkeit, um Muskelmasse aufzubauen und zu erhalten, und das in jedem Alter. Dabei nehmen wir als Hausärzte bei der Motivation unserer Patientinnen und Patienten – und damit in der Prävention der Sarkopenie insgesamt – eine zentrale Rolle ein. Es wird empfohlen, mindestens 150 Minuten moderates aerobes Training pro Woche sowie Krafttraining an zwei oder mehr Tagen in der Woche durchzuführen. Dadurch verbessert sich natürlich nicht nur die muskuläre Fitness, auch auf den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System und sogar auf die psychische Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten wirkt sich das günstig aus.

Besonders wichtig ist der Erhalt der Muskelmasse im Alter. Bei Seniorinnen und Senioren spielen neben der Motivation noch weitere psychosoziale Faktoren eine große Rolle. Außerdem kommt es im höheren Alter oft zu einer unzureichenden Nährstoffzufuhr. Eine besondere Rolle nehmen dabei die Proteine ein. Ich würde hier gerne eine Debatte anstoßen, wenn ich ganz klar sage: Unsere Rentnerinnen und Rentner brauchen mehr Proteine! Hören Sie bitte auf, unseren Patientinnen und Patienten mit einer leichten chronischen Nierenerkrankung die Proteine auszureden. Sie decken wahrscheinlich eh schon nicht ihren Tagesbedarf!

Doch nicht nur ältere Menschen profitieren. Auch den jüngeren unter uns, die einen überwiegend sitzenden Lebenswandel führen, kann gezieltes Krafttraining dabei helfen, das Risiko einer frühen Entstehung von Sarkopenie zu verringern.

Die Frage ist, wie man für mehr Aufklärung über dieses Thema sorgen kann. Ich sehe uns in der Hausarztpraxis als zentralen Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, Patientinnen und Patienten über die Bedeutung einer starken Muskulatur und grundsätzlich von ausreichender körperlicher Aktivität aufzuklären. Dass man uns Vertrauen schenkt und wir einen positiven Einfluss ausüben können, ist in Zeiten von TikTok und Co. nicht mehr selbstverständlich. Lassen Sie es uns dennoch probieren – und versuchen, unsere Patientinnen und Patienten ein wenig muskulöser und damit auch etwas gesünder zu machen!

Ihr
Sebastian Alsleben