Miese Kombikredite verbrennen Ihr Geld
Dr. Neumann – der Name ist geändert – ist Augenärztin. 2001 hat sie sich in Norddeutschland niedergelassen und für die Praxisgründung einen Kredit von 205 000 Euro aufgenommen. Über die Laufzeit von zwölf Jahren zahlt die Ärztin ihrer Bank lediglich die Zinsen in Höhe von 5,95 %, die Darlehenssumme selbst ist erst am Ende der zwölf Jahre fällig. Dann aber auf einen Schlag. Doch dafür hat sie ja unter Vermittlung ihrer Bank eine als „Tilgungsversicherung“ bezeichnete Kapital-/Fondslebensversicherung abgeschlossen, gleichermaßen mit einer Laufzeit von zwölf Jahren, für die eine Leistung von 140 % prognostiziert wird. Die Ärztin rechnet also zuguterletzt mit 212 367 Euro – die Sache ist geritzt.
Die Praxis brummt und zwölf Jahre gehen schnell ins Land. Doch bei Fälligkeit der Lebensversicherung wird die Ärztin blass: Sie bekommt lediglich 165 961,40 Euro ausgezahlt. Es fehlen ihr also fast 40 000 Euro, um ihren Kredit auszulösen. Dabei hat Dr. Neumann alles gemacht, wie die Bank gesagt hatte.
Immer mehr Ärzte bekommen Zahlungsschwierigkeiten
Und das ist einer der weniger harten Fälle. Immer mehr Ärzte befinden sich in vergleichbarer Situation, bei manchen geht es bis zur Insolvenz, erzählt Rechtsanwalt Holger Buck der Kanzlei Buck&Wittekind, München, der mehr als ein Dutzend Ärzte dazu vertritt. Wie kann das passieren?
Seit Anfang der 2000er-Jahre bieten Banken und Versicherungen Kredite an, die sie mit einem Sparprodukt kombinieren. Diese Kombikredite heißen Lebensversicherungskredit, Bausparsofortfinanzierung oder Fondsinvestmentkredit. Gemeinsam ist ihnen: Statt direkt das Darlehen abzutragen, zahlt der Kreditnehmer in ein Sparprodukt ein. Am Ende der Laufzeit tilgt er dann – so der Plan – den Kredit mit dem Geld, das er aus dem Sparprodukt erhält.
Vorteile für Gutverdienende – und für die Banken
Markus Reber, Heilberufsberater und Ex-Apobank-/Apofinanz-Mitarbeiter, steht dem Modell grundsätzlich nicht negativ gegenüber: „Tilgungsaussetzung kann am Anfang einer Karriere bei Besserverdienenden sinnvoll sein, weil das Eigenkapital dabei nicht angegriffen wird. Es kann dann bei einer privaten Immobilie eingesetzt werden.“ Allerdings müsse die Beratung der Bank stimmen.
Für die Banken ist dieses Modell gleich aus mehreren Gründen attraktiv. Zunächst mal wird das Darlehen über die gesamte Laufzeit voll verzinst. Damit erwirtschaftet die Bank sogar bei einem geringeren Effektivzins mehr Kreditzinsen als bei einem klassischen Darlehen. Für den Kreditnehmer ist das jedoch eine Zusatzbelastung.
Und auch das Versicherungsunternehmen bzw. die Bausparkasse oder der Fondsbetreiber ziehen einen Gewinn aus dem Anlagegeschäft. Dabei ist der Anbieter nicht selten mit der kreditgebenden Bank konzernverbunden. Darüber hinaus erhalten natürlich auch die Vermittler des Sparproduktes – Bankmitarbeiter oder freie Makler, die nicht immer direkt als frei erkennbar sind – Provisionen, die der Kreditnehmer im Ansparvertrag mitfinanziert.
Das Interessante an Kombinationsfinanzierungen für den Kunden ist neben der Tilgungsaussetzung hauptsächlich die steuerliche Absetzbarkeit der oft scheinbar niedrigeren Zinsen. Doch das Lockmittel „niedrige Zinsen“ kann täuschen. Denn die Vorschriften zur Preisangabe lassen den Banken einen zu großen Spielraum: Niemand zwingt sie, bei Kombifinanzierungen die Gesamtbelastung auszuweisen. In manchen Fällen liegt die Gesamtleistung der Lebensversicherungen soweit zurück, dass die Deckungslücken bis zur Insolvenz führen. Verschärfend kommt hinzu, was Dr. Neumann passiert ist: Aufgrund der Zinsentwicklung erfüllen die Leistungen aus dem Sparprodukt noch nicht mal die ursprünglichen Erwartungen.
Wenn‘s ganz schlecht läuft, ist der Kredit aber sogar schon fällig, während das Sparprodukt noch auf sich warten lässt „Ich hatte in den letzten zwei Jahren mehr als ein Dutzend Fälle von Ärzten, bei denen die Lebensversicherung erst Jahre nach dem Kredit fällig wurde und die massive finanzielle Probleme bekommen haben“, erzählt Rechtsanwalt Buck. Warum das so ist? Experte Reber: „Je länger der Vertrag läuft, desto mehr springt für den Berater dabei raus.“
Risiken minimieren, statt Provisionsmaschine zu füttern
Scheidung, Krankheit, Umzug: Dann wird‘s richtig haarig
Hätte Dr. Neumann das Darlehen als klassisches Annuitätendarlehen mit sinkendem Zins- und steigendem Tilgungsanteil aufgenommen, hätte man ihr den etwas höheren Zinssatz von 6,2 % angeboten. Dieser wäre aber im Laufe der Jahre auf ein immer kleiner werdendes Darlehen gerechnet worden. Sie hätte mit diesem Kredit keine zusätzlichen Provisionen und Gebühren bezahlt und bei Zinsfestschreibung ihre finanzielle Belastung über die gesamten zwölf Jahre hinweg einschätzen können. Dabei hatte sie noch Glück: Ehescheidung, Arbeitslosigkeit oder Wohnungswechsel – Allerweltsgeschehnisse, die aber doch das persönliche Leben gewaltig umkrempeln und neue Bedürfnisse mit sich bringen, erzwingen manchmal eine vorzeitige Darlehensbeendigung. Das ist auch bei einem Annuitätendarlehen kein Kindergeburtstag. Doch bei Kombikrediten werden noch dazu in den ersten Jahren nur sehr bescheidene Rückkaufwerte erlöst – die bis dahin eingezahlten Beträge haben ja für die Provisionen und Gebühren herhalten müssen. Eine Bank, die in dieser Phase eine externe Umschuldung übernimmt, lässt sich nur schwerlich finden.Der gründende Arzt muss besser geschützt werden!
„Völlig unklar ist, warum der Arzt nicht endlich besser geschützt wird“, sagt Rechtsanwalt Buck. Schließlich sei das Risiko mehr als offensichtlich. Im Rahmen ihrer Aufklärungs- und Warnpflichten müsse die Bank eigentlich über eine ganz Reihe an besonderen Belastungen im Vergleich zu einem normalen Ratenkredit informieren. Dazu gehöre unter anderem:- dass sich die Zinszahlung über die gesamte Laufzeit auf die volle Darlehensvaluta bezieht,
- dass sich eine Zinserhöhung nach Ablauf der Zinsbindungsfrist gegebenenfalls auf die volle Darlehenssumme bezieht
- dass es bei vorzeitiger Vertragskündigung wegen des ungünstigen Rückkaufswertes des Sparproduktes zu erheblichen Vermögenseinbußen kommen kann und
- dass bei Insolvenz des Anlageträgers der Totalverlustes sämtlicher Ansparleistungen droht.