Nach dem Stipendium geht's aufs Land: Junge Hausärztin setzt Förderung der KV Sachsen-Anhalt um

Interview Autor: Maya Hüss

Familie und Karriere: „Ich würde es wieder so machen!“ Familie und Karriere: „Ich würde es wieder so machen!“ © Stefan Berger/OVGU, fotolia/Thomas Reimer

Ingrid Grüßner ist die erste Stipendiatin der KV Sachsen-Anhalt, die im Oktober ihre Vollzeittätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis mit fünf Kollegen in Oschersleben nahe Magdeburg aufgenommen hat. Im Gespräch mit Medical Tribune erzählt die junge Allgemeinärztin, wie ihr als Mutter von drei Kindern der berufliche Start in der Praxis gelang.

Wie sind die ersten Wochen in der vertragsärztlichen Tätigkeit verlaufen?
Ingrid Grüßner
: Bis zu meiner Facharztprüfung im Juni 2017 habe ich bereits in meiner jetzigen Praxis gearbeitet. Dadurch war für mich nach meiner dreimonatigen Babypause glücklicherweise nicht viel Unerwartetes in meiner Arbeit. Die Abläufe in der Gemeinschaftspraxis, in der ich arbeite, haben sich nicht geändert. Vom Gefühl her ist es aber schon anders, jetzt seine „eigenen“ Patienten zu haben. Ich befasse mich anders mit ihrer Vorgeschichte und hake mehr nach, um meine Patienten besser kennenzulernen. Viele Patienten kenne ich bereits aus meiner Zeit als Weiterbildungsassistentin. Da haben schon einige auf mich gewartet. Das war sehr schön. Organisatorisch gab es natürlich auch noch viel zu lernen, wie beispielsweise bei BtM-Rezepten und DMP-Genehmigungen.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft?
Grüßner:
Das Modell der Berufsausübungsgemeinschaft ist für mich genau das Richtige. Ich bin hier als angestellte Ärztin tätig, somit noch nicht in der Selbstständigkeit. Das gibt mir momentan noch mehr persönliche Sicherheit. Ich kann hier auch nach meinen fünf Jahren Weiterbildungszeit zur Allgemeinmedizinerin noch viel lernen und vor allem kann ich immer meine erfahrenen Kollegen zurate ziehen, wenn ich mir fachlich und oder organisatorischen nicht sicher bin. Der Austausch ist wichtig für mich. In einer Einzelpraxis ginge das nicht so einfach.

Warum haben Sie sich damals für das Stipendium der KV Sachsen-Anhalt, auch im Hinblick auf die anschließende Verpflichtung, entschieden?
Grüßner:
Für mich bedeutete das Stipendium, endlich finanziell unabhängig von meinen Eltern zu sein. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits eine zweijährige Tochter und war froh, finanziell auf eigenen Füßen stehen zu können. Die Vereinbarung, als Hausärztin zu arbeiten, war für mich kein Problem, da ich bereits früh im Studium für mich entschieden hatte, Allgemeinmedizinerin zu werden. Dies hat mir die Tür zum Stipendium geöffnet. Auch die daran geknüpften Bedingungen, später auf dem Land als Hausärztin tätig zu werden, waren für mich kein Hindernis.

Woher kam der Wunsch, als Haus­ärztin tätig zu werden?
Grüßner:
Schon nach dem Physikum stand für mich fest, dass ich Haus­ärztin werden will. Von meinem Charakter her bin ich jemand, der gerne den Überblick hat. Auch organisatorische Dinge liegen mir. Diese Eigenschaften sind nur förderlich für einen Hausarzt. In den klinischen Fächern der Ausbildung wurde das für mich persönlich auch noch mal deutlich. Zudem möchte ich meine Patienten langfristig behandeln und sie begleiten.

Sie haben schon eine junge Familie. Wie empfinden Sie den Balanceakt zwischen Privatem und Beruf?
Grüßner:
Ich habe zwei große Töchter im Alter von sechs und neun Jahren und einen kleinen Sohn, der gerade vier Monate alt ist. Nach einer kurzen Babypause bin ich wieder im Berufsalltag angekommen. Mein Mann bleibt für ein Jahr zu Hause. Der Alltag mit drei Kindern ist ziemlich turbulent. Mein kleiner Sohn benötigt natürlich viel Aufmerksamkeit, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Dann habe ich Zeit für ihn. Bei den beiden Großen stehen mit Musikschule und Sport auch einige feste Termine in der Woche an, die es zu organisieren gilt. Insgesamt empfinde ich es aber einfacher, den Berufsalltag als ambulant tätige Ärztin mit der Familie zu vereinbaren als mit dem Klinikalltag. Ich habe auch kurze Tage, an denen ich dann mehr Zeit für meine Familie habe. Zudem ist die Dienstbelastung geringer. Die Zeit für mich bleibt im Moment etwas auf der Strecke, aber da kommen auch wieder andere Zeiten. Insgesamt bin ich sehr froh, schon mit Anfang 30 eine Familie zu haben und auch im Beruf schon einiges geschafft zu haben. Ich würde es wieder so machen!

Die Unterstützung der KV Sachsen-Anhalt

Das Stipendium in Höhe von 700 Euro pro Monat von der KVSA hatte Ingrid Grüßner, die an der Universität in Magdeburg Humanmedizin studierte, ab dem fünften Studienjahr in Anspruch genommen. Im Gegenzug musste sie sich dazu verpflichten, nach ihrer Facharztausbildung der Allgemeinmedizin für zwei bis drei Jahre in einer unterversorgten Region Sachsen-Anhalts als Hausärztin tätig zu werden. Auch das Gehalt in ihrer Weiterbildung wurde mit 4800 Euro pro Monat übernommen. Seit 2010 vergibt die KVSA Stipendien, die alle Studenten deutscher Universitäten ab dem dritten Studienjahr beziehen können. Sollte die vertragsärztliche Tätigkeit anschließend nicht wie vereinbart ausgeübt werden, muss die gesamte Fördersumme zurückgezahlt werden. Insgesamt haben bereits 117 Studierende ein Stipendium in Anspruch genommen, 50 davon befinden sich gerade in der Weiterbildung.